I. Allgemeines
Rz. 64
Da das Vermögen der Erbengemeinschaft gesamthänderisch gebunden ist, können Leistungen nur an die Erben gemeinschaftlich erfolgen, § 2039 BGB. Ebenso können danach die Erben Forderungen des Nachlasses nur gemeinschaftlich geltend machen. Selbst wenn es sich bei der Geltendmachung der Forderung um einen Fall der ordnungsgemäßen Verwaltung handelt, wären die Erben stets gezwungen, einen Mehrheitsbeschluss herbeizuführen. Widerspenstige oder passive Erben müssten dann ggf. im Klageweg zur Mitwirkung gezwungen werden. Um der Erbengemeinschaft hier den Handlungsspielraum zu erweitern, eröffnet § 2039 BGB jedem Erben das Recht, Forderungen für den Nachlass geltend zu machen. § 2039 BGB gilt ausschließlich für Forderungen, die für den Nachlass geltend gemacht werden; Forderungen gegen den Nachlass sind nach §§ 2058 ff. BGB zu beurteilen. Zur Behandlung gemeinschaftlicher Forderungen bei der Auseinandersetzung siehe unten Rdn 250.
II. Voraussetzungen
Rz. 65
Ein Anspruch i.S.d. Legaldefinition des § 194 BGB gehört zum Nachlass, wenn es sich um
▪ |
einen Anspruch der Erbengemeinschaft handelt, der nach dem Erbfall entstanden ist oder |
▪ |
einen Anspruch des Erblassers handelt, der mit dem Erbfall auf die Erbengemeinschaft übergegangen ist. |
Die Ansprüche des Erblassers können sowohl schuldrechtlicher als auch dinglicher sowie öffentlich-rechtlicher Natur sein.
Rz. 66
Die Ausübung von Gestaltungsrechten fällt nicht unter § 2039 BGB, wie sich aus dem weiteren Wortlaut ergibt ("an alle Erben (…) leisten"). Für Gestaltungsrechte gilt § 2038 BGB, für Verfügungen § 2040 BGB. Ebenso wenig gehört der Anspruch aus § 2287 BGB zum Nachlass: Er steht jedem Schluss- oder Vertragserben persönlich zu. Die Höhe des Bruchteils wird bestimmt durch die Erbquote. Bei einem Grundstück richtet sich der Anspruch auf Übereignung eines entsprechenden Miteigentumsanteils an den Schluss- bzw. Vertragserben.
Rz. 67
Zu den Ansprüchen i.S.v. § 2039 BGB gehört auch der Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch gegen den Steuerberater des Erblassers. Ein Miterbe kann somit allein gem. § 2039 BGB, trotz des Widerspruchs der übrigen Miterben, den Steuerberater des Erblassers auf Auskunft hinsichtlich der Steuererklärungen des Erblassers in Prozessstandschaft für die Erbengemeinschaft verklagen. Hat der Erblasser seine Steuererklärung zusammen mit seinem Ehepartnerabgegeben, so ist dieser Auskunftsanspruch zwar wegen der fortbestehenden Verschwiegenheitspflicht des Steuerberaters gegenüber dem Ehepartner eingeschränkt. Der Anspruch geht dennoch nicht lediglich auf Ablichtung einer teilweise abgedeckten gemeinsamen Steuererklärung oder Einsichtsgewährung in die Unterlagen durch einen (zur Verschwiegenheit verpflichteten) anderen Steuerberater. Diese Ansicht des OLG Koblenz ist zu eng gefasst: Denn auch Rechtsanwälte sind Angehörige der steuerberatenden Berufe (vgl. § 3 StBerG). Zudem muss der Rechtsanwalt als Parteivertreter seinen Mandanten über alles informieren, was ihm im Rahmen der Einsicht bekannt wird und seinem Mandanten nützlich sein kann. Der verklagte Steuerberater kann den klagenden Erben nicht auf eine Einsicht in die Akten des Finanzamts verweisen. Der Anspruch gegen das Finanzamt auf Überlassung von Kopien der Anzeigen gem. § 33 ErbStG gehört nicht zu den Ansprüchen i.S.v. § 2039 BGB.
Rz. 68
Ebenso wie in § 432 Abs. 1 S. 1 BGB leistet der Schuldner ("Verpflichtete") nur dann mit befreiender Wirkung, wenn er an alle Gläubiger ("Erben") leistet. Die Leistung nur an einen oder mehrere Erben, führt nicht zum Erlöschen der Forderung der Erbengemeinschaft. Etwas anderes gilt, wenn die übrigen Miterben vertreten werden und Leistung an den oder die Bevollmächtigten erfolgt. Das Angebot des Schuldners hat daher auch gegenüber allen Erben zu erfolgen. Da es sich beim Vermögen der Erbengemeinschaft um Sondervermögen der Miterben handelt, kann der Schuldner der Forderung der Erbengemeinschaft keine Einwendungen und Einreden entgegenhalten, die aus einem Rechtsverhältnis mit einem einzelnen Miterben herrühren. Die Aufrechnung einer gegen einen einzelnen Miterben bestehenden Forderung ist gem. § 2040 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Wegen der Trennung der Vermögensmassen tritt Konfusion auch nicht zu einem Bruchteil ein, sodass auch der miterbende Nachlassschuldner nur durch Leistung an die Erbengemeinschaft mit befreiender Wirkung leisten kann.
Der Erfüllungsort ändert sich durch den Erbfall nicht. Gerät nur einer der Miterben in Annahmeverzug, § 293 BGB, führt dies zum Annahmeverzug sämtlicher Miterben.