I. Überblick
Rz. 77
Die Verwaltung des Nachlasses durch die Erbengemeinschaft stellt eines der großen praktischen Probleme im Recht der Erbengemeinschaft dar. § 2038 BGB unterscheidet drei Arten der Verwaltung:
Es ist also zunächst zu prüfen, ob eine Handlung überhaupt eine Verwaltungsmaßnahme darstellt. Erst danach ist zu unterscheiden, welcher Art die Verwaltung war und ob die Miterben einvernehmlich oder mehrheitlich hierüber zu beschließen haben und wie sie hierdurch verpflichtet werden. Der Aufbau des § 2038 BGB enthält insoweit abgestufte Anforderungen: Ausgangspunkt ist der Fall der außerordentlichen Verwaltung, die Erben müssen einstimmig handeln (§ 2038 Abs. 1 S. 1 BGB). In Fällen der ordnungsgemäßen Verwaltung genügt ein Mehrheitsbeschluss (§ 2038 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB), und in Fällen der notwendigen Verwaltung kann ein Miterbe alleine handeln (§ 2038 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BGB). Während § 2038 BGB die Verwaltungsbefugnis regelt, ist die Verfügungsbefugnis in §§ 2033, 2040 BGB geregelt. Seit 2005 durchbricht die Rechtsprechung diese strikte Trennung stärker als zuvor, so dass auch Verfügungen Verwaltungsmaßnahmen sein können (s. hierzu nachfolgend Rdn 93).
II. Begriff der Verwaltung
Rz. 78
Die Regelung in § 2038 Abs. 1 S. 1 BGB ist im Wesentlichen deckungsgleich mit § 744 Abs. 1 BGB. Der Begriff der "Verwaltung" ist weit und umfassend zu verstehen: Er umfasst alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen, die zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzungen und Bestreitung laufender Verbindlichkeiten des Nachlasses erforderlich oder geeignet sind. Der BGH hat 2005 entschieden, dass dazu grundsätzlich auch Verfügungen über Nachlassgegenstände zählen.
Ann formuliert plastisch, dass
Zitat
"Verwaltung alles sein soll, was den Status Quo des Erblasservermögens sichert, wie er im Zeitpunkt des Erbfalls bestanden hat. Verwaltungshandeln ist so in erster Linie “Bewahrungshandeln’".
Weiter führt Ann aus, dass
Zitat
"werbendes Handeln der Nachlaßverwaltung zumindest nicht wesensfremd sein kann. Nachlaßverwaltung ist also auch Bewahrungshandeln, erschöpft sich darin aber nicht."
Rz. 79
Verwaltungsmaßnahmen sind bspw.:
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Anfechtung (auch eines Eigentümerbeschlusses); |
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Antragstellung und deren Rücknahme beim Grundbuchamt; |
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Baumaßnahmen auf einem Grundstück; |
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Entlassung oder Anstellung von Grundstücksverwaltern oder Bediensteten; |
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Erlass von Forderungen; Forderungseinziehung (auch Miet- und Pachtzins); |
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Handelsgeschäft fortführen oder einstellen; |
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Kapitalanlage bis zur Auseinandersetzung; |
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Klage zum Schutz eines verpfändeten Grundstücks vor ungerechtfertigter Vollstreckung; |
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Mahnungen; Nachbarschaftsrechte, die gegen Baugenehmigung geltend gemacht werden; |
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Nachlassschulden begleichen, insbes. laufende Verbindlichkeiten; |
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Pflichtteilsansprüche beziffern und auszahlen (auch bei Testamentsvollstreckung); |
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Rechtsstreitigkeiten einschließlich der Prozessführung; |
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Regelung der Benutzung von Nachlassgegenständen; |
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Reparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen, soweit sie aus Nachlassmitteln beglichen werden können; |
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Rücktritt; Stille Gesellschaft mit Dritten eingehen; |
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Stimmrechtsausübung aufgrund eines GmbH-Geschäftsanteils vor Ausübung des Stimmrechts gem. § 18 Abs. 1 GmbHG; |
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Verarbeitung halbfertiger Produkte, auch wenn dadurch neue Produkte entstehen; |
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Veräußerung von Grundstücken; |
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Vergleichsabschluss über Forderungen für und gegen den Nachlass; |
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Vermietung und Verpachtung von Nachlassgegenständen; |
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Vertragsabschluss; |
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Verwaltung und Vertretung auf einzelne Miterben oder einen Dritten übertragen; |
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Vollmachterteilung; |
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Widerruf einer vom Erblasser erteilten Vollmacht; |
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Widerspruch gegen Verlängerung eines Mietverhältnisses; |
Eine "Übertragung" dieser Beispiele auf den konkreten Fall darf jedoch nur mit größter Vorsicht erfolgen. Es kommt auf die konkreten Umstände an, ob eine Verwaltungsmaßnahme vorliegt.
Unterschiedlich wurde bis in das Jahr 2006 noch beurteilt, ob die Kündigung von Miet- und Pacht-Verträgen sowie auch anderen Verträgen eine Verwaltungsmaßnahme oder eine Verfügung i.S.v. § 2040 BGB darstellt. Da eine Kündigung als einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung unmittelbar auf das Rechtsverhältnis einwirkt, kann es sich letztlich nur um eine Verfügung handeln. Seine gegenteilige Rechtsprechung von 1951 hat der BGH 2006 aufgegeben.
Rz. 80
Keine Verwaltungsmaßnahmen sind:
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Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 2034 BGB; |
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Bestattung des Erblassers (Leiche ist nicht Eigentum der Erben); |
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Exhumierung des Erblassers (Leiche ist nicht Eigentum der Erben); |
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Obduktion des Erblass... |