Rz. 59
Die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten durch die Erbengemeinschaft gegenüber Dritten ist in den §§ 2058–2061 BGB geregelt.
1. Bis zur Teilung
Rz. 60
Bis zur Teilung (Auseinandersetzung) des Nachlasses haften die Erben als Gesamtschuldner grundsätzlich in voller Höhe, können aber die Befriedigung aus dem Eigenvermögen verweigern (und haften dann ausschließlich mit dem Nachlass), §§ 2058, 2059 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Gläubiger hat ein Wahlrecht, ob er Gesamtschuld- oder Gesamthandsklage erhebt. "Geteilt" ist der Nachlass jedenfalls, sobald die Auseinandersetzung vollzogen ist. Ungeklärt ist es bislang, ab wann der Nachlass "geteilt" ist i.S.v. §§ 2059, 2060 BGB. Genügt der Beginn der Teilung (z.B. wird lediglich das Guthaben eines Kontos unter den Erben aufgeteilt) oder bedarf es der Teilung des "überwiegenden Nachlasses"? Dann würde die Frage anschließen, wie "überwiegend" zu definieren wäre: mehr als die Hälfte? Oder mehr als an Nachlassverbindlichkeiten noch nicht vorhanden ist oder war? Was wäre dann, wenn nachträglich Nachlassverbindlichkeiten bekannt werden (z.B. Steuerverbindlichkeiten)?.
Praxishinweis
Der Wunsch des Mandanten geht meist dahin, "schon mal etwas zu verteilen". Insbesondere die "leicht" zu verteilenden Nachlassgegenstände wie Konten und Depots werden dann häufig "vorgezogen".
Dies birgt einerseits die o.g. Gefahr der unbeschränkten Haftung des Mandanten mit seinem Eigenvermögen gem. §§ 2059, 2060 BGB für bekannte, aber auch für zunächst unbekannte und später auftauchende Nachlassverbindlichkeiten. Schlägt dann der Gesamtschuldnerausgleich fehl und der Mandant muss mehr tragen als es seiner Erbquote entspricht, läge ein Haftungsfall des beratenden Anwalts vor, wenn er seinen Mandanten über diese Gefahr nicht zuvor eingehend belehrt hatte.
Andererseits ist es auch aus taktischen Gründen wenig empfehlenswert, gerade den "leicht" zu verteilenden Nachlass zuerst zu verteilen, weil die Einigungsbereitschaft hinsichtlich des verbliebenen Nachlasses sinken wird.
Rz. 61
§ 2059 Abs. 1 S. 1 BGB gewährt dem in Anspruch genommenen Erben eine aufschiebende Einrede gegen die Inanspruchnahme aufgrund einer Nachlassverbindlichkeit in das Eigenvermögen. Die Einrede führt zwar nicht zu einer Klageabweisung; der in Anspruch genommene Miterbe kann aber einen Vorbehalt der Haftung nach § 780 ZPO in das Urteil aufnehmen lassen.
2. Nach der Teilung
Rz. 62
Nach der Teilung haften die Miterben weiterhin gesamtschuldnerisch für Nachlassverbindlichkeiten. Nur unter bestimmen Voraussetzungen kann der Miterbe gem. § 2060 BGB seine Haftung auf seinen Anteil am Nachlass beschränken:
(1.) |
wenn der Gläubiger im Aufgebotsverfahren ausgeschlossen ist, |
(2.) |
wenn der Gläubiger später als fünf Jahre nach dem Erbfall seine Forderung geltend macht, |
(3.) |
wenn das Nachlassinsolvenzverfahren beendet ist. |
Rz. 63
Ergänzend bietet § 2061 BGB dem Miterben die Möglichkeit, eine teilschuldnerische Haftung durch ein Privataufgebot herbeizuführen (im Gegensatz zum gerichtlichen Aufgebot in § 2060 Nr. 1 BGB).