Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 237
Die Vorschrift des § 461 Abs. 1 HGB statuiert eine verschuldensunabhängige Obhutshaftung für den Spediteur. Für sonstige Pflichtverletzungen haftet der Spediteur gem. § 461 Abs. 2 HGB für vermutetes Verschulden. Die Beweislastverteilung richtet sich dann nach den auch für § 280 Abs. 1 BGB geltenden Regeln, wonach der Gläubiger beweispflichtig für den haftungsausfüllenden Schaden ist.
Begehrt ein Geschädigter für den Verlust seines Transportgutes von dem Spediteur Ersatz seines vollen Schadens, ist der Anspruchssteller nicht mehr darlegungs- und beweispflichtig für ein etwaiges Verschulden des Spediteurs. Beweisrechtlich ist gem. Nr. 25.1 ADSp der Auftraggeber beweispflichtig für die Übergabe der Waren im mangelfreien Zustand, in bestimmter Menge und Beschaffenheit; der Spediteur dafür, dass er die Waren so, wie er sie erhalten hat, abgeliefert hat. Die Darlegungspflicht für den Schadenseintritt beim Transport obliegt gem. Nr. 25.2 ADSp demjenigen, der dies behauptet.
OLG Köln VersR 1999, 1040:
Zitat
Die dem Anspruchsteller obliegende Darlegungs- und Beweislast wird dadurch gemildert, dass der Spediteur angesichts des unterschiedlichen Informationsstandes der Vertragsparteien nach Treu und Glauben gehalten ist, soweit möglich und zumutbar zu den näheren Umständen aus seinem Betriebsbereich eingehend vorzutragen. Dabei reicht es nicht aus, wenn er allgemein zur Lagerorganisation vorträgt. Er ist vielmehr gehalten, die konkret eingerichteten Kontrollen so detailliert darzulegen, dass für den Anspruchsteller und das Gericht erkennbar wird, wie die einzelnen Maßnahmen getroffen worden sind, um sicherzustellen, dass die theoretisch vorgesehenen Organisationsmaßnahmen auch praktisch durchgeführt werden, BGH VersR 97, 725, 726.
Eine vom Auftraggeber zu beweisende Tatsache kann zum Beispiel in dem Mangel des Kontroll- und Sicherungssystems liegen; z.B. dadurch, dass es nicht den Zutritt Fremder zu den Lagerräumen verhindert, oder dass Transportgut völlig außer Kontrolle geraten kann, ohne dass sich der Weg des Transportgutes nachvollziehen lässt.
Rz. 238
Auch bei der Haftung des Frachtführers nach Art. 17 CMR werden die entscheidenden Weichen für die Anspruchsdurchsetzung durch die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast gesetzt. Nach Art. 17 Abs. 1 CMR schuldet der Frachtführer grundsätzlich Schadensersatz für den Verlust des seiner Obhut anvertrauten Transportgutes. Der Ersatzberechtigte muss zwar darlegen und gegebenenfalls beweisen, das Transportgut an den Frachtführer ausgeliefert zu haben. Sodann aber ist von dem Frachtführer zu beweisen, dass er das ordnungsgemäß übernommene Gut an den rechtmäßigen Empfänger ausgeliefert hat.
BGH NJW-RR 2000, 1631:
Zitat
Der Frachtführer ist gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR unter anderem nur dann befreit, wenn der Schaden durch ein Verschulden des Verfügungsberechtigten, durch eine nicht vom Frachtführer verschuldete Weisung des Verfügungsberechtigten oder durch Umstände verursacht worden ist, die sowohl für ihn selbst als auch für seine Gehilfen (Art. 3 CMR) unvermeidbar waren und deren Folgen keine dieser Personen abwenden konnte. Unvermeidbarkeit im Sinne von Art. 17 CMR ist nur anzunehmen, wenn der Frachtführer darlegt und gegebenenfalls beweist, dass der Schaden auch bei Anwendung der äußersten ihm möglichen und zumutbaren Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können.
Zum Verlust der zugunsten des Frachtführers eingreifenden Haftungsbeschränkung (Art. 29 CMR) hat die Rechtsprechung folgende Beweislastregelungen für die Fälle des Verlusts und die Beschädigung des Transportguts beim Transport entwickelt:
BGH NJW 2012, 3774, 3775:
Zitat
Grundsätzlich hat allerdings der Anspruchsteller die Voraussetzungen für den Wegfall der zugunsten des Frachtführers bestehenden gesetzlichen oder vertraglichen Haftungsbegrenzungen darzulegen und zu beweisen. Danach trägt er die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Frachtführer vorsätzlich oder in einer dem Vorsatz gleichstehenden Weise schuldhaft gehandelt hat.
Die dem Anspruchsteller obliegende Darlegungs- und Beweislast kann jedoch dadurch gemildert werden, dass der Frachtführer angesichts des unterschiedlichen Informationsstands der Vertragsparteien nach Treu und Glauben gehalten ist, soweit möglich und zumutbar, zu den näheren Umständen des Schadensfalls eingehend vorzutragen. Eine solche sekundäre Darlegungslast des Anspruchsgegners ist zu bejahen, wenn der Klagevortrag ein qualifiziertes Verschulden mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelegt oder sich Anhaltspunkte für ein derartiges Verschulden aus dem unstreitigen Sachverhalt ergeben. Insbesondere hat der Frachtführer in diesem Fall substanziiert darzulegen, welche Sorgfalt er zur Vermeidung des eingetretenen Schadens konkret angewendet hat. Kommt er dem nicht nach, kann nach den Umständen des Einzelfalls der Schluss auf ein qualifiziertes Verschulden gerechtfertigt sein. Diese Grundsätze hat die Rechtsprechung für den Fall des Verlusts von Transport...