Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 274
Wird der Anwalt von seinem früheren Mandanten mit der Begründung in Anspruch genommen, er habe ihn falsch beraten oder einen Rechtsstreit fehlerhaft geführt, hängt der Ausgang eines sich daraus entwickelnden Rechtsstreits nicht zuletzt von der Verteilung der Beweislast ab.
Behauptet der Anwalt, seinen Mandanten hinreichend aufgeklärt zu haben, muss nämlich der Mandant das Gegenteil beweisen; den Anwalt trifft allerdings eine gesteigerte Substantiierungslast, vgl. § 2 Rdn 70.
OLG Düsseldorf NJWE-VHR 97, 12:
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Wer einen Anwalt aus Verletzung seiner Aufklärungspflicht in Anspruch nimmt, weil dieser seine Pflicht nicht gehörig erfüllt habe, trägt für dieses Unterlassen die Beweislast, auch wenn ihm damit der Beweis einer negativen Tatsache aufgebürdet wird.
BGH NJW 2000, 730, 732:
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Für den haftungsausfüllenden Ursachenzusammenhang zwischen anwaltlicher Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden, der gemäß § 287 ZPO festzustellen ist, trägt der Mandant die Beweislast, die durch den Beweis des ersten Anscheins und die – gegenüber § 286 ZPO – geringeren Anforderungen des § 287 ZPO an die Darlegungslast und das Beweismaß erleichtert wird. Einen erstattungsfähigen Schaden hat der Mandant in der Regel erlitten, wenn er einen Prozess verloren hat, den er bei sachgemäßer anwaltlicher Vertretung gewonnen hätte. Für diese hypothetische Beurteilung ist maßgeblich, wie der Vorprozess nach Auffassung des Gerichts, das mit dem Regressanspruch befasst ist, richtigerweise hätte entschieden werden müssen. Dabei ist von dem Sachverhalt auszugehen, der dem Gericht des Vorprozesses unterbreitet und von diesem aufgeklärt worden wäre. Die Beweislastregeln des Vorverfahrens gelten grundsätzlich auch für den Regressprozess.
Rz. 275
Steht eine Pflichtverletzung des Anwaltes fest und lässt sich der Anwalt dahin gehend ein, sie sei wegen einer späteren Weisung seines Mandanten für den eingetretenen Schaden nicht kausal geworden, hat der Anwalt diese behauptete Weisung zu beweisen. (Der Anwalt hatte es weisungswidrig unterlassen, Klage auf Zahlung des Kaufpreises zu erheben, und sich dahin gehend eingelassen, der Mandant habe ihn später aufgefordert, Rücktritt vom Vertrag zu erklären.)
Der Anwalt hat auch grundsätzlich von der Belehrungsbedürftigkeit seines Auftraggebers auszugehen:
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Dies gilt sogar gegenüber rechtlich und wirtschaftlich erfahrenen Personen. Behauptet der Rechtsanwalt, der Mandant habe die Rechtslage gekannt und sei deshalb nicht belehrungsbedürftig gewesen, so trifft ihn insoweit die Beweislast.
Der Anwalt muss auch beweisen, dass sein Mandant eine Schadensminderungspflicht verletzt habe.
Rz. 276
Steht die mangelhafte Aufklärung des Mandanten fest, traf nach früherer Rspr. den Anwalt die Beweislast, wenn er die Kausalität der Vertragsverletzung für den eingetretenen Schaden mit der Begründung bestreiten wollte, dass sein Mandant sich nicht aufklärungsrichtig verhalten hätte, also seinem Rat nicht gefolgt wäre. Nach aktueller Rspr. begründet die Verletzung der Aufklärungspflicht aber lediglich einen Anscheinsbeweis.
BGH NJW 1993, 3259:
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Voraussetzung sind danach tatsächliche Feststellungen, die im Falle sachgerechter Aufklärung durch den rechtlichen Berater aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegt hätten.
BGH NJW 2014, 2795:
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In Fällen der Rechts- und Steuerberaterhaftung bestimmen sich Beweiserleichterungen für den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises.
Der Anscheinsbeweis setzt einen Sachverhalt voraus, der nach der Lebenserfahrung aufgrund objektiv deutlich für eine bestimmte Reaktion sprechender Umstände einer typisierenden Betrachtungsweise zugänglich ist. Dies ist anzunehmen, wenn bei zutreffender rechtlicher Beratung vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters aus allein eine Entscheidung nahe gelegen hätte.
Der Anscheinsbeweis kommt nur zur Anwendung, wenn im Hinblick auf die Interessenlage oder andere objektive Umstände eine bestimmte Entschließung des zutreffend informierten Mandanten, mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten war, sowie als Beweiserleichterung für den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises. Kommen für den Mandanten hinsichtlich der Entscheidung über die Rückgabe der Zulassung verschiedene Handlungsweisen ernsthaft in Betracht, die unterschiedliche Vorteile und Risiken in sich bergen, ist grundsätzlich kein Raum für einen Anscheinsbeweis. Anders als im Arzthaftungsprozess, vgl. Rdn 290, führt selbst ein feststehendes grobes Verschulden des Anwaltes nicht zu einer Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität für den eingetretenen Schaden.
Rz. 277
Führt ein Anwaltsverschulden in einem Rechtsstreit zum Unterliegen seines Mandanten, so ist nicht zu fragen, wie der Richter dieses Prozesses ohne Anwaltsverschulden entschieden hätte, ...