Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 46
Für die Geltendmachung entgangenen Gewinns gewährt sowohl die materiell-rechtliche Bestimmung des § 252 BGB wie auch die prozessuale des § 287 ZPO dem Geschädigten gegenüber dem Schädiger Beweiserleichterungen. Er kann den entgangenen Gewinn geltend machen, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
Der Geschädigte braucht lediglich Ausgangs- und Anknüpfungstatsachen für eine Schadensbestimmung vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen. Er muss nicht nachweisen, welcher Schaden ihm unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles konkret entstanden ist. Es wird nämlich kraft Gesetzes vermutet, dass der Geschädigte mindestens den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge wahrscheinlichen Gewinn gezogen hätte.
Der Schädiger kann diese Vermutung nur dadurch widerlegen, dass er Umstände beweist, aus denen sich ergibt, dass der Geschädigte einen solchen Gewinn nicht gehabt hätte.
Die vorgetragenen Tatsachen erfordern nicht den zwingenden Schluss auf den behaupteten Schaden; es genügt der Nachweis von Tatsachen, die den Schadenseintritt als Folge des schädigenden Ereignisses wahrscheinlich machen.
BGH NJW 2005, 3348, 3349:
Zitat
[D]er Tatrichter [darf] sich seiner Aufgabe, auf der Grundlage des § 252 BGB und § 287 ZPO eine Schadensermittlung vorzunehmen, nicht vorschnell unter Hinweis auf die Unsicherheit möglicher Prognosen entziehen. Wird dem Geschädigten durch vertragswidriges Verhalten des Schädigers die Möglichkeit genommen oder beschränkt, sein neues Produkt auf den Markt zu bringen, darf der Wahrscheinlichkeitsnachweis nicht schon deshalb als nicht geführt angesehen werden, weil sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht feststellen lässt.
Darüber hinaus kommt dem Geschädigten zum Nachweis des ihm entstandenen Schadens § 287 ZPO zur Hilfe (Schadensschätzung, geringere Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit, auf die der Richter seine Überzeugung stützen darf und muss).
Rz. 47
Trotz der dem Geschädigten zum Nachweis seines Schadens eingeräumten Vergünstigungen, darf aber ein selbstständiger Gewerbetreibender seinen Schaden nicht abstrakt berechnen; vielmehr bedarf es der Darlegung konkreter Anhaltspunkte für die Schadensermittlung; das gilt auch im Rahmen der Schadensschätzung nach § 252 S. 2 BGB und § 287 ZPO.
Wegen der Schwierigkeiten, die hypothetische Entwicklung eines Geschäftsbetriebes zu ermitteln, dürfen jedoch keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Da nicht eine Momentaufnahme Maßstab für die künftige Entwicklung sein kann, ist es in der Praxis üblich, dass das Gericht dem Geschädigten aufgibt, die Einkommensteuererklärung der letzten drei Jahre vorzulegen. Es ist dann Sache des Schädigers nachzuweisen, dass in dem konkreten Fall ein geringerer Gewinn angefallen wäre.
Stößt die Darlegung des nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu Erwartenden auf unüberwindbare Schwierigkeiten, hat das Gericht dem Geschädigten im Wege der Schätzung wenigstens ein Existenzminimum zuzusprechen.