Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 313
Bei der Haftung von Access-Providern sind zwei Entscheidungen des BGH aus dem Jahr 2016 beachtenswert: Inhaltlich ging es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen Telekommunikationsunternehmen, die ihren Kunden den Zugang zum Internet vermitteln, zur Sperrung bestimmter Internetseiten verpflichtet sein können. In den entschiedenen Fällen verlangten die klagenden Rechteinhaber jeweils von dem beklagten Access-Provider, es zu unterlassen, Dritten – namentlich den Kunden des Access-Providers – den Zugang zu näher bezeichneten Internetseiten zu vermitteln. Die in Rede stehenden Internetseiten – goldesel.to und 3dl.am – enthielten Sammlungen von Hyperlinks (URLs), die auf urheberrechtlich geschützte Musikwerke verweisen, welche zuvor bei Sharehostern von Dritten widerrechtlich hochgeladen worden waren (3dl.am) bzw. in einem Peer-to-Peer-Netzwerk zum Abruf bereitstanden (goldesel.to).
Zwar lehnte der BGH die Verpflichtung der Beklagten zur Einrichtung der begehrten Zugangssperren im Ergebnis ab, ebnete zugleich jedoch den Weg für die gerichtliche Verhängung von Netzsperren gegen Access-Provider. Eine täterschaftliche Haftung für die in Rede stehenden Rechtsverletzungen kommt insoweit zwar nicht in Betracht, wohl aber ein entsprechender Unterlassungsanspruch nach den Grundsätzen der Störerhaftung. Als Störer haftet, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – willentlich und adäquat-kausal an einer fremden Rechtsverletzung mitwirkt, wobei die Inanspruchnahme als Störer – um die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte zu erstrecken – ferner die Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten voraussetzt. Weiter besteht hier die Besonderheit darin, dass eine Störerhaftung des Access-Providers erst in Betracht kommen soll, wenn einem Vorgehen gegen übrige Verletzer jede Erfolgsaussicht fehlt (Subsidiarität der Störerhaftung).
Anspruchsbegründende Voraussetzungen der Störerhaftung sind das Vorliegen einer Rechtsverletzung, ein willentlicher und adäquat-kausaler Beitrag des als Störer in Anspruch Genommenen zu dieser Rechtsverletzung, sowie schließlich die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten. Hierfür ist der Anspruchsteller nach allgemeinen Regeln darlegungs- und beweisbelastet. Mit Blick auf die Zumutbarkeit der Sperranordnung ist indes zu berücksichtigen, dass der Anspruchsteller (hier das Tonträgerunternehmen) von außen regelmäßig nicht erkennen kann, welche Schutzmaßnahmen vom Access-Provider ergriffen worden sind bzw. warum ihm keine weiteren Maßnahmen zuzumuten sind. Der BGH hilft insoweit mit der Anwendung der Regelungen der sekundären Darlegungslast. Da der Access-Provider lediglich subsidiär haftet, ist auch insoweit die Darlegungs- und Beweislastverteilung zu klären. Im Ergebnis dürfte die Darlegungs- und Beweislast insoweit auch beim Anspruchsteller liegen; den Access-Provider dürfte keine sekundäre Darlegungslast treffen, da es insoweit an der typischen Beweisnot des Anspruchstellers fehlen dürfte.
Rz. 314
Mit Blick auf die Haftung von Host-Providern (d.h. Dienstleister, die eine technische Plattform zur Speicherung fremder Informationen bereitstellen) für Rechtsverletzungen durch Nutzer/Dritte gelten zunächst die allgemeinen Regeln, mithin hat der Anspruchsteller die Voraussetzungen der Störerhaftung darzulegen und zu beweisen.
Vgl. beispielsweise BGH NJW 2016, 2106, 2110:
Zitat
Allerdings trifft die Bekl. hinsichtlich des Behandlungskontakts eine sekundäre Darlegungslast, weil dem Kl. insoweit eine nähere Darlegung nicht möglich ist und er auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat. Die sekundäre Darlegungslast umfasst zunächst diejenigen für einen solchen Behandlungskontakt sprechenden Angaben, die der Bekl., insbesondere ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG, möglich und zumutbar sind.
Die Bekl. hat im Streitfall jedoch eine darüber hinausgehende Recherchepflicht. Dem Bestreitenden obliegt es im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, Nachforschungen zu unternehmen, wenn ihm dies zumutbar ist. Im Streitfall folgt die Zumutbarkeit einer Recherche schon daraus, dass die Bekl. aufgrund ihrer materiellen Prüfpflicht ohnehin gehalten ist, vom Bewertenden zusätzliche Angaben und Belege zum angeblichen Behandlungskontakt zu fordern. Dem entspricht in prozessualer Hinsicht ihre Obliegenheit, im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast vom Bewertenden entsprechende Informationen zu fordern.
Kommt die Bekl. dieser Obliegenheit nicht nach, ist die Behauptung des Kl., der von ihm angegriffenen Bewertung liege kein Behandlungskontakt zu Grunde, nach den allgemeinen Regeln über die sekundäre Darlegungslast nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu bewerten.
Demgegenüber trägt der Host-Provider die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen dafür, dass die Veröffentlichung eines Bildnisses durch einen Nutzer nach § 23 KUG ausnahmsweise gestattet ist. Wegen der Zumutbarkeit der dem Störer obliegenden Prüfpflichten geht der BGH davon aus, dass dem Host-Provider eine...