Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 266
Kauft jemand in einem Handelsgeschäft Ware ein und kommt er durch diese Ware zu Schaden – z.B. durch das Explodieren einer Sprudelflasche –, könnte ihm daraus gegen den Händler ein Anspruch aus Vertragsverletzung zustehen. Voraussetzung dafür ist aber ein Verschulden des Händlers; an diesem von dem Käufer zu führenden Nachweis wird der Anspruch zumeist scheitern. Will der Verletzte den Hersteller der Ware aus § 823 Abs. 1 BGB in Anspruch nehmen, setzt dieser Anspruch ebenfalls ein Verschulden voraus.
Müsste der Geschädigte das Verschulden nachweisen, würde auch diese Anspruchsgrundlage dem Verletzten wenig nützen, da er die innerbetrieblichen Abläufe des Herstellerbetriebes nicht kennt und deshalb nur selten ein Verschulden des Herstellers nachweisen kann. Hinzu kommt, dass dieser sich in aller Regel eines Verrichtungsgehilfen bedient hat und deshalb den Entlastungsbeweis nach § 831 BGB führen könnte, vgl. Rdn 256. Deshalb hilft die Rspr. dem Verletzten durch eine Beweislastumkehr.
Rz. 267
Der Verletzte muss nur beweisen, dass er durch ein vom Hersteller in den Verkehr gebrachtes und schon zu diesem Zeitpunkt fehlerhaftes Produkt in einem seiner Rechtsgüter verletzt worden ist und dadurch einen Schaden erlitten hat; er hat also lediglich einen Fehler des von dem Hersteller gelieferten Produktes, seinen Schaden und die Kausalität des Fehlers für seinen Schaden zu beweisen.
Den Verletzten trifft also die Beweislast dafür, dass sein Schaden im Organisations- und Gefahrenbereich des Herstellers ausgelöst worden ist, und zwar durch einen objektiven Mangel oder Zustand der Verkehrswidrigkeit. Hinsichtlich des von dem Verletzten geschuldeten Kausalitätsbeweises könnten sich Schwierigkeiten ergeben, wenn der dem Hersteller zu machende Vorwurf in einer unzulänglichen Aufklärung des späteren Verletzten liegt. Hier kommt dem Verletzten aber die Vermutung zustatten, dass er, wenn er gewarnt worden wäre, diese Warnung auch beachtet hätte.
Rz. 268
Der Hersteller muss dann zu seiner Entlastung beweisen, dass er objektiv nicht gegen die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verstoßen hat oder ihn an einem derartigen Verstoß kein Verschulden trifft oder der Verletzte eine Warnung nicht beachtet hätte. An den vom Hersteller zu führenden Entlastungsbeweis im Lebensmittelbereich werden sehr hohe Anforderungen gestellt. Die mangelnde Aufklärbarkeit kann zulasten des Herstellers gehen; so zum Beispiel beim Inverkehrbringen von Produkten, welche aufgrund ihrer Eigenart eine besondere Schadenstendenz aufweisen.
Bei Instruktions- und Beobachtungsfehlern wird bei dem von dem Verletzten geforderten Nachweis, dass eine Instruktion erforderlich gewesen und der Schaden bei pflichtgemäßer Instruktion vermieden worden wäre, die Möglichkeit eines Anscheinsbeweises eingeräumt. Der Verletzte hat auch eine objektive Pflichtverletzung bezüglich einer nachträglich erforderlich gewordenen Instruktion nachzuweisen. Sodann trifft den Hersteller die Beweislast dafür, dass die Gefahren für ihn nicht erkennbar waren und ihn deshalb kein Verschulden trifft.