Rz. 195

Bei Beendigung des Verfahrens wird regelmäßig die Frage aufgeworfen, ob die Kosten des prozessbegleitenden Gutachtens als Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 ZPO festgesetzt werden können.[465] Der BGH hält hierzu mittlerweile fest, dass dies nur in Ausnahmefällen der Fall sei, wenn dessen Einholung "unmittelbar prozessbezogen" und als ex-ante-Sicht sachdienlich war.[466] Unmittelbare Prozessbezogenheit heißt, dass sich das Gutachten "auf den konkreten Rechtsstreit bezieht und gerade mit Rücksicht auf den Prozess in Auftrag gegeben worden" ist. Das ist nicht der Fall, wenn das Gutachten bei Beauftragung außerprozessualen Zwecken dienen soll. Hieran ändert auch die spätere Verwertung im Prozess nichts.[467]

Sachdienlichkeit setzt voraus, dass der beauftragenden Partei die erforderliche Sachkunde fehlt, um den Prozess ordnungsgemäß führen zu können. Hierzu gehört vor allem die Substantiierung des eigenen Vortrags, beispielsweise, wenn ein Privatmann einem Bauunternehmer Mängel entgegenhält,[468] deren Erscheinungsbild er als technischer Laie nicht ausreichend zu erfassen vermag, oder zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit eines größeren Unternehmens, welches im Konzernverbund über einen Cash-Pool finanziert wurde. Weitere Beispielsfälle sind die Erwiderung auf ein Privatgutachten der Gegenseite oder ein gerichtliches Gutachten, sowie die Vorbereitung von Fragen bei der Anhörung des Sachverständigen.[469]

OLG Stuttgart NJW-RR 1996, 255:[470]

Zitat

Die Kosten eines vor oder während eines Rechtsstreits eingeholten Privatgutachtens sind nur ausnahmsweise[471] erstattungsfähig, nämlich dann, wenn eine ausreichende Grundlage für die Klage oder das weitere Vorbringen nur durch einen Sachverständigen beschafft werden konnte, das Gutachten also zur Durchsetzung des mit der Klage verfolgten Anspruchs erforderlich war. Dabei kommt es im vorliegenden Fall nicht auf den Unterschied zwischen prozessvorbereitenden und prozessbegleitenden Gutachten an. Zwar wird allgemein bei einem prozessbegleitenden Gutachten ein strengerer Maßstab an die Notwendigkeit der Beauftragung eines Sachverständigen angelegt. In diesem Stadium ist es primär Sache des Gerichts, die erforderlichen Beweise einzuziehen. Daher werden solche Beweise als unnötig angesehen, die die Beweisaufnahme vorwegnehmen. Geht es aber der Partei in erster Linie darum, sich die Grundlage für ihr weiteres Vorbringen – hier im Rahmen des Betragsverfahrens nach Erlass des Grundurteils – zu beschaffen, ist die angeführte Unterscheidung nicht mehr angebracht. In dieser Lage ist lediglich ausschlaggebend, ob die Partei selbst und ohne sachverständige Hilfe zu einem den Prozess fördernden Vortrag in der Lage war oder ob sie hierzu einen Sachverständigen benötigte. Dabei kommt es auf die objektive Erforderlichkeit und Geeignetheit aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei an.

Aus der Sicht des Klägers war ein hinreichender Anlass zur Beauftragung des Sachverständigen vorhanden. Ein solcher besteht immer dann, wenn das Gericht einer Partei aufgibt, ihr Vorbringen zu substantiieren und diese die dafür erforderliche Sachkunde nicht besitzt.

OLG Düsseldorf BauR 1998, 1282:

Zitat

Die Klärung umstrittener Tatsachenfragen ist nicht Sache der Parteien, sondern des Gerichts in dem nach der ZPO hierfür vorgesehenen Beweisaufnahmeverfahren. Deshalb wird die Notwendigkeit der Einholung eines Privatgutachtens, dessen Beweiswert ohnehin vielfach geringer ist als der des Gutachtens eines gerichtlich bestellten Sachverständigen, nur in ganz besonderen Ausnahmefällen bejaht werden können.

BGH VersR 2006, 1236:

Zitat

Die Beurteilung, ob das eingeholte Privatgutachten erstattungsfähig ist, hat sich daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei, diese die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Über diesen Blickpunkt kommt eine Erstattung der Kosten eines Privatgutachtens dann in Betracht, wenn die Partei infolge fehlender Sachkenntnisse nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage ist.

[465] Instruktiv Hille, DS 2017, 237, 240.
[467] Hille, DS 2017, 237, 240.
[468] Hille, DS 2017, 237, 240.
[470] Ebenso LG Kiel BeckRS 2012, 19041.
[471] So auch BGH GuT 2012, 271.

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