Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 173
Wird eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO durchgeführt, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen, darf das Beweisergebnis nicht verwertet werden.
OLG Braunschweig OLGR 1995, 173:
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Die Parteivernehmung zur Herstellung der "Waffengleichheit" war unzulässig. Die Parteivernehmung darf nur angeordnet werden, wenn aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache spricht, so dass bereits "einiger Beweis" erbracht ist, vgl. BGH NJW 1989, 3223. Davon konnte hier nicht die Rede sein. Die Anordnung der Parteivernehmung war daher unzulässig mit der Folge, dass die dennoch herbeigeführte Aussage des Beklagten der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden darf.
OLG München NJW-RR 1996, 958, 959:
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Von der Kann-Bestimmung des § 448 ZPO ist zurückhaltend Gebrauch zu machen; denn § 448 ZPO gibt dem Gericht ein zwar wichtiges, aber auch gefährliches, verführerisches Machtmittel, das nur zur Ergänzung der Beweise herangezogen werden darf.
OLG Düsseldorf BeckRS 2005, 07025:
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Der Aussage des als Partei vernommenen Klägers kommt kein Beweiswert zu, da die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung gemäß den § 448 ZPO nicht vorgelegen haben.
Ist eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO durchgeführt worden, ohne dass die Voraussetzungen dafür vorlagen, kann dies noch in der Berufungsinstanz gerügt werden; ein rügeloses Verhandeln im Sinne des § 295 ZPO steht dem jedenfalls dann nicht entgegen, wenn eine Partei erst nach Vorliegen der Entscheidungsgründe zu beurteilen vermag, ob die Voraussetzungen des § 448 ZPO vorlagen. Vgl. auch § 1 Rdn 13.
Rz. 174
Ein zulässiges und empfehlenswertes Verfahren ist es, sich über eine Anhörung nach § 141 ZPO (vgl. Rdn 94) den Zugang zu einer Vernehmung nach § 448 ZPO zu verschaffen.
Wie hier OLG Köln OLGR 1995, 8:
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Zum Beweis des Versicherungsfalles durch eine von Amts wegen anzuordnende Parteivernehmung gemäß § 448 ZPO bedarf es eines "Anfangsbeweises", eine schon bestehende gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der durch die Parteivernehmung vollständig zu beweisenden Behauptungen.
Dieser "Anfangsbeweis" kann auch aus einer Anhörung der beweisbelasteten Partei gemäß § 141 ZPO geführt werden, setzt allerdings uneingeschränkte Glaubwürdigkeit – Zuverlässigkeit und Redlichkeit – der Partei voraus.
Die Parteivernehmung von Amts wegen setzt weiterhin voraus, dass alle in Betracht kommenden Beweismittel ausgeschöpft sind.
Hat das erstinstanzliche Gericht eine Parteivernehmung von Amts wegen nach § 448 ZPO durchgeführt und war diese nicht aus den unter Rdn 173 aufgeführten Gründen verfahrensfehlerhaft, kann das Berufungsgericht sie nicht mit der Begründung unbeachtet lassen, es selbst habe sie nicht für geboten erachtet. Es darf nicht abweichend vom Ergebnis dieser Parteivernehmung entscheiden, ohne diese (aus seiner Sicht nicht erforderliche) Parteivernehmung zu wiederholen.