Dr. iur. Christian Saueressig
a) Auslegung von Willenserklärungen
Rz. 232
BGH NJW 2001, 144:
Zitat
Nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen hat die Vertragsauslegung in erster Linie den von den Parteien gewählten Wortlaut der Vereinbarung und den diesem zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen zu berücksichtigen. Beruft sich eine Vertragspartei auf einen vom eindeutigen Wortlaut des Vertrages abweichenden übereinstimmenden Willen der Vertragspartner, so obliegt ihr für die dem zugrundeliegenden auslegungsrelevanten Umstände die Darlegungs- und Beweislast.
b) Zugang von Willenserklärungen
Rz. 233
Wer eine Kündigung oder eine Mängelrüge per Post ausspricht, hat Schwierigkeiten, den rechtzeitigen Zugang bei dem Adressaten zu beweisen. Obwohl nur 0,000633 % der Briefe bei der Post verloren gehen, genügt der Nachweis der Absendung eines Briefes nicht; ein Einschreibebrief mit Rückschein ist deshalb ratsam, vgl. oben Rdn 87 ff.
Rz. 234
Zum Nachweis des Zugangs einer E-Mail, vgl. oben Rdn 89.
c) Unternehmensbezogene Willenserklärung
Rz. 235
Wer eine Willenserklärung im eigenen Namen abgegeben hat und sich darauf beruft, sie sei unternehmensbezogen und wirke deshalb gegen den mit ihm nicht personengleichen Unternehmensinhaber, hat die Unternehmensbezogenheit zu beweisen. Zweifel gehen zulasten des Erklärenden.
Steht die Unternehmensbezogenheit aber fest (weil das Geschäft typischerweise zum Geschäftsbereich des Unternehmens gehört oder sogar in dessen Betriebsräumen abgeschlossen wurde), geht bei diesen Geschäften der Wille der Beteiligten im Zweifel dahin, dass der Betriebsinhaber Vertragspartner werden soll. Dies gilt aber nur, wenn der Handelnde sein Auftreten für das Unternehmen hinreichend deutlich macht.
OLG Köln BB 1997, 229:
Zitat
Sollen Werbeanzeigen in einem Publikationsorgan fortlaufend für ein Unternehmen unter einer bestimmten Geschäftsbezeichnung geschaltet werden, kann der Vertragspartner bei Vertragsschluss mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon ausgehen, dass die Anzeigenaufträge im Namen dieses Geschäftsbetriebes erteilt werden sollen. Existiert die Unternehmung als eigene Rechtsperson nicht, so haftet der in ihrem Namen Handelnde für die Folgen des Rechtsgeschäfts in entsprechender Anwendung von § 179 Abs. 1 BGB persönlich. Wendet er ein, er habe in Wirklichkeit bei Auftragserteilung für eine, von ihm als Gesellschaftergeschäftsführer betriebene GmbH mit einem anderslautenden Firmennamen auftreten wollen, so obliegt ihm die volle Darlegungs- und Beweislast für die Unternehmensbezogenheit der Anzeigenaufträge im Hinblick auf deren Geschäftsbetrieb.
Das Problem der Unternehmensbezogenheit kommt vor allem dann zum Tragen, wenn ein Geschäftsführer einer GmbH einen Vertrag abschließt, ohne ausdrücklich zu betonen, dass er den Vertrag im Namen der GmbH abschließen will. Ist der Vertrag schriftlich geschlossen worden, spricht die (rechtliche) Vermutung der Vollständigkeit zunächst einmal dafür, dass das Geschäft im eigenen Namen geschlossen worden ist. Ist das Geschäft aber betriebsbezogen, tritt die Vermutung der urkundlichen Erklärung hinter der Vermutung zurück, dass es als betriebsbezogenes eben im Namen der GmbH gewollt ist.
OLG München NZG 2000, 892, m. Anm. Waldner, NZG 2000, 1037:
Zitat
Erklärungen eines Geschäftsführers in einer notariellen Urkunde wirken auch dann unmittelbar für und gegen die GmbH, wenn der Geschäftsführer in der notariellen Niederschrift weder als solcher bezeichnet wird noch mit der Firma der Gesellschaft gezeichnet hat und auch Nachweise über dessen Vertretungsberechtigung nicht der Niederschrift beigefügt worden sind, soweit nur das Handeln für die Gesellschaft offenkundig ist; §§ 10 und 12 BeurkG sind lediglich Sollvorschriften, § 35 Abs. 3 GmbHG ist nur Ordnungsvorschrift.
Hat der Geschäftsführer eine Verpflichtungserklärung im Rahmen eines unternehmensbezogenen Geschäfts gegenüber einem Geschäftspartner der GmbH mit dem Zusatz von Firma und Sitz der Gesellschaft unterzeichnet, hat er hierdurch selbst dann seine Stellvertretung hinreichend kenntlich gemacht, wenn er ergänzt: "Sie werden von mir diesen Betrag auf jeden Fall zurückerhalten."
Trägt der Gegner einen Sachverhalt vor, aus denen sich ergibt, dass ein unternehmensbezogenes Geschäft vorlag, ist es Sache der anderen Partei darzulegen und zu beweisen, dass eben kein unternehmensbezogenes Geschäft vorlag, sondern – beispielsweise ein Darlehensvertrag – mit dem Handelnden geschlossen werden sollte.
BGH NJW 1986, 1676:
Zitat
Bei einem betriebsbezogenen Darlehen hat dagegen der Darlehensgeber den Nachweis zu erbringen, daß er die Zahlungen an den Verhandlungspartner persönlich geleistet hat.