Rz. 284

Gem. § 630h Abs. 1 BGB wird das Vorliegen eines Behandlungsfehlers vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat. Dem Patienten kommt insoweit eine Umkehr der Beweislast[731] zugute. Der Arzt muss bei Überzeugung des Gerichts von der Verwirklichung der Vermutungsbasis den Beweis erbringen, dass das vollbeherrschbare Risiko im Konkreten nicht abwendbar gewesen ist.[732] Die Vorschrift des § 630h BGB gilt nicht für die deliktische Haftung eines Arztes.[733]

Weber, NJW 1997, 761, 764:[734]

Zitat

Es kommt darauf an, ob der Misserfolg nicht auf der Unberechenbarkeit des menschlichen Körpers beruht, sondern darauf, ob die schadensursächliche Handlung des Arztes in ihrer Handhabung und Wirkung auf den Patienten "voll beherrschbar" gewesen war.

Von voll beherrschbaren Risiken spricht man z.B. dann, wenn bei der Behandlung des Patienten Geräte versagen oder Gegenstände, die bei der Operation verwendet werden, unbeabsichtigt im Körper verbleiben: In diesen Fällen muss der Arzt die gegen ihn sprechende Verschuldensvermutung entkräften.

Steht ein solches technisches Versagen fest und lässt sich die Ursächlichkeit für den eingetretenen Schaden nicht ausschließen, geht das zulasten des behandelnden Arztes bzw. des Krankenhausträgers.[735]

Dasselbe gilt bei Fehlern des Krankenhausträgers hinsichtlich des Personaleinsatzes und der Organisation; stehen insoweit Fehler fest, wird dadurch eine Vermutung für Organisations-, Auswahl-, Anweisungs- und Kontrollverschulden begründet.[736]

 

Rz. 285

Das Gericht ist verpflichtet, dem Patienten durch eigene Ermittlungen bei der Aufklärung des Sachverhaltes behilflich zu sein; es hat über den üblichen Rahmen hinaus Gutachten einzuholen und Krankenunterlagen anzufordern, und zwar auch ohne Antrag des Patienten.

[731] BT-Drucks 17/10488, 28: "Weitere Beweislasterleichterungen, die über die Umkehr der Beweislast bezüglich des objektiven Pflichtverstoßes hinausgehen, enthält Abs. 1 nicht."
[732] Schärtl, NJW 2014, 3601, 3603.
[733] BLP/Repgen, § 630h Rn 1.
[734] So auch BGH VersR 2007, 1416.
[735] Vgl. Müller, DRiZ 2000, 259, 262; BGH VersR 2007, 1416.
[736] Müller, NJW 1997, 3049, 3050; BGH NJW 2007, 1682.

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