Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 121
Die Verwertung einer Zeugenaussage soll nach einer Ansicht nicht schon deshalb stets unzulässig sein, weil der Zeuge von dem Inhalt eines Telefongesprächs (ohne Kenntnis des anderen Gesprächspartners) über eine Mithöranlage erfahren hat.
OLG Düsseldorf NJW 2000, 1578:
Zitat
Da heutzutage zahlreiche Telefongeräte mit Mithöreinrichtungen ausgestattet sind, kann der Gesprächspartner eines Telefonats nicht mehr darauf vertrauen, dass ein Mithören unterbleibt; deshalb bestehen grundsätzlich keine Bedenken gegen die Verwertung der Aussagen eines Zeugen über seine Wahrnehmung beim Mithören eines Telefongesprächs.
Allenfalls, wenn und soweit ein Gespräch vertraulicher Natur war oder der Belauschte bewusst getäuscht worden ist, soll nach dieser Ansicht ein Beweisverwertungsverbot bestehen.
Nach anderer, strengerer Ansicht liegt – trotz der weiten Verbreitung von Mithöreinrichtungen und der angeblichen Üblichkeit eines derartigen Vorgehens in bestimmten (z.B. Geschäfts-) Kreisen – ein Beweisverwertungsverbot vor.
BGH NJW-RR 2010, 1289, 1292:
Zitat
Die Aussage der Zeugin über den Inhalt dieses Telefongesprächs, das sie ohne Wissen des Beklagten mitgehört hat, durfte nicht verwertet werden. Nach der Rspr. des BVerfG liegt in der Erhebung und Verwertung der Aussage eines Zeugen, der ein Telefonat ohne Einwilligung des Gesprächspartners mitgehört hat, ein Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht des Gesprächspartners am gesprochenen Wort, für den es einer dem Rang des grundrechtlichen Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Rechnung tragenden Rechtfertigung bedarf (vgl. BVerfG BVerfGE 106, 28, 44 ff.; BGH MDR 2003, 767; BGH MDR 2005, 632). Das allgemeine Interesse an einer funktionstüchtigen Straf- und Zivilrechtspflege reicht für eine Rechtfertigung nicht aus. Es müssen weitere Aspekte hinzutreten, die ergeben, dass das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung schutzwürdig ist. Das BVerfG und die neuere Rspr. des BGH verweisen insoweit auf notwehrähnliche Situationen, wie die Anfertigung heimlicher Tonbandaufnahmen zur Feststellung der Identität eines anonymen Anrufers oder zur Feststellung erpresserischer Drohungen oder den Fall eines auf andere Weise nicht abwehrbaren Angriffs auf die berufliche Existenz.
Vertrauliche Gespräche sind – nach beiden Ansichten – besonders geschützt. Trotz zugesicherter Vertraulichkeit soll ein Beweisantritt durch Vernehmung eines sog. Lauschzeugen ausnahmsweise nur dann zulässig sein, wenn es dem Beweisbelasteten darauf ankam, "einem auf andere Weise nur schwer, möglicherweise überhaupt nicht abwehrbaren kriminellen Angriff auf seine berufliche Existenz zu begegnen".
Generell als unzulässig gilt nach der Rechtsprechung des BAG das heimliche Mithörenlassen von Telefongesprächen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
(Im BAG-Fall hatte die Arbeitnehmerin mithören lassen.)
Rz. 122
Sind Informationen rechtswidrig erlangt, führt das nicht notwendig zu einem Verbot von deren prozessualer Verwertung. Falls die betreffenden Tatsachen nicht bestritten werden, besteht ein solches Verbot nur, wenn der Schutzzweck der Norm, die bei der Informationsgewinnung verletzt wurde, einer gerichtlichen Verwertung der Information zwecks Vermeidung eines Eingriffs in höherrangige Rechtspositionen dieser Partei zwingend entgegensteht. Anders das OLG Karlsruhe, welches solche Informationen nicht nur nicht Gegenstand der Beweiserhebung sein lässt, sondern den Tatsachenvortrag überhaupt nicht berücksichtigt; auch wenn er unstreitig ist; a.A. Schneider. Gegen OLG Karlsruhe auch Heinemann mit der Begründung, das Zivilprozessrecht kenne kein Sachvortragsverwertungsverbot. Er will aber den Beklagten von seiner Wahrheitspflicht des § 138 Abs. 1 ZPO entbinden und ihm das Recht einräumen den, auf rechtswidrig erlangte Informationen gestützten Vortrag auch dann zu bestreiten, wenn er der Wahrheit entspreche. Dem Kläger sei dann der Beweisantritt zu versagen.
Dieser Lösungsweg erscheint gekünstelt; ihm kann gegenüber dem des OLG Karlsruhe nicht der Vorzug gegeben werden.
Rz. 123
Lenz/Meurer, MDR 2000, 73:
Zitat
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist verfassungsrechtlich gemäß Art. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und zivilrechtlich gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB geschützt. Wird ein Beweismittel unter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Belauschten gewonnen, so wird das Beweismittel rechtswidrig erlangt. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Belauschten liegt vor, wenn die Gewinnung des Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreift und dieser Eingriff widerrechtlich ist.
Die Frage, wann ein solcher Eingriff widerrechtlich ist, ist aber eine schwer abzugrenzende Einzelfallentscheidung.
Rz. 124
Von dem Mithören zu unterscheiden ist die Aufnahme eines Gespräches auf Tonträger, ohne die Zustimmung des Gesprächspartners einzuholen. Das ist gemäß § 201...