Rz. 144

Das Gesetz regelt in § 397 ZPO ausdrücklich das Fragerecht der Parteien; es gilt auch für die Befragung eines Sachverständigen.[330] Der Anwalt hat einen Anspruch darauf, unmittelbar Fragen an den Zeugen zu richten; der Partei selbst kann das Recht zu unmittelbarer Frage eingeräumt werden; einen Anspruch darauf hat sie nicht.

Die Frage eines Anwaltes kann vom Vorsitzenden nicht schon mit der Begründung zurückgewiesen werden, sie sei nicht sachdienlich;[331] wohl aber dann,

wenn sie ersichtlich nichts mit dem Rechtsstreit zu tun hat,
wenn sie bereits gestellt worden ist oder
wenn es sich um eine Suggestivfrage handelt.[332]

Wird die Zulassung einer Frage abgelehnt, ist der Antrag auf Zulassung nebst der Frage zu Protokoll zu nehmen, § 160 Abs. 3 S. 2 ZPO. Mit dem Antrag auf Protokollierung erzwingt der Anwalt am sichersten, in seiner Prozessführung nicht unangemessen eingeschränkt zu werden.

 

Rz. 145

Ein Anwalt sollte von seinem Fragerecht aber nur vorsichtigen Gebrauch machen. Dem jungen Anwalt, der anstelle des Seniorpartners den Termin wahrnimmt, wird manchmal nichts anderes übrigbleiben, als sich durch Fragen hervorzutun, um dem Mandanten das Gefühl zu vermitteln, er werde tatkräftig vertreten. Das Gericht sollte diese Notlage des Anwaltes respektieren.

Gefährlich ist ein Zuviel an Fragen aber bei folgender (häufigen) Konstellation:

Der am Ausgang des Rechtsstreits interessierte Zeuge beantwortet die Beweisfrage ausweichend. Weder mag er die Wahrheit sagen noch der von ihm begünstigten Partei einen Schaden zufügen. Also beantwortet er die ihm gestellte Frage nicht konkret, sondern etwa so: "Wenn das so gemacht würde, hätte das ja folgende Konsequenzen …" (In der Erwartung, dass das Gericht daraus auf die Verneinung der Frage schließt, ohne dass der Zeuge das so ausdrücklich bekundet hat.)

Wenn jetzt der Richter nicht weiter nachfragt, muss der Anwalt versuchen, in dessen Mienenspiel zu lesen, ob der Richter mit dieser ausweichenden Antwort den Beweis geführt sieht oder ob er, was wahrscheinlicher ist, den Zeugen schont und ihn nicht durch weiteres Nachfragen zu einer Falschaussage verleiten will.

Ist letzteres der Fall, wäre es höchst unklug von dem Anwalt der Gegenseite, dem Zeugen seinerseits vertiefende Fragen zu stellen, weil es ihm dann geschehen kann, dass der Zeuge den Konflikt zwischen wahrheitsgemäßer Aussage und Begünstigung der ihm verbundenen Partei, dem er durch seine ausweichende Antwort aus dem Wege gehen wollte, durch eine Falschaussage löst.

Als Rettungsversuch verbleibt dem Anwalt dann noch, darauf zu dringen, dass zunächst die ausweichende Aussage in das Protokoll aufgenommen wird und erst ergänzend die konkretere, damit die Zweifelhaftigkeit dieser Aussage sich bereits aus dem Protokoll ergibt.

[331] Thomas/Putzo/Reichold, § 397 Rn 1.
[332] Zöller/Greger, § 397 Rn 3.

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