Rz. 135

Wegen des im Zivilprozess geltenden Unmittelbarkeitsprinzips hat der Zeuge regelmäßig vor dem Prozessgericht, d.h. vor sämtlichen an der Entscheidung beteiligten Richtern,[306] auszusagen. Die Unmittelbarkeit der Zeugenaussage kann jedoch dadurch unterlaufen werden, dass eigens für das Verfahren eine Zeugnisurkunde hergestellt wird;[307] die BGH-Rspr. ist widersprüchlich: einerseits BGH MDR 1970, 135 – andererseits BGHZ 80, 389, 395.

Will also ein Zeuge nicht vor Gericht erscheinen, wohl aber eine schriftliche Erklärung abgeben, darf das Gericht diese nach h.M. nicht zur Grundlage seiner Entscheidung machen. Der Anwalt der beweisführenden Partei sollte versuchen, auf das Gericht einzuwirken, dass es dem Zeugen gemäß § 377 Abs. 3 ZPO eine schriftliche Aussage ermöglicht. Dazu darf aber nicht die schriftliche Erklärung herangezogen werden, die er bereits vor einem entsprechenden Beschluss des Gerichts durch einen Anwalt hat überreichen lassen. (Der Zeuge ist – anders als im anglo-amerikanischen Recht – nicht Zeuge der Parteien, sondern des Gerichts.)

Der Grundsatz der Unmittelbarkeit schließt nicht aus, dass Aufzeichnungen, die aus ganz anderem Anlass, also nicht für diesen Prozess, gemacht wurden, im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden. Denn nur das gezielte Unterlaufen des Unmittelbarkeitsprinzips ist unzulässig.

Der Grundsatz der Unmittelbarkeit wird auch verletzt, wenn ein Vorsitzender einen Zeugen schriftlich informatorisch anhört und sich dessen Vernehmung vorbehalten will.

Wird die schriftliche Aussage eines Zeugen eingeholt, haben die Parteien ein Fragerecht nach § 397 ZPO.[308]

Kommt es auf die Glaubwürdigkeit eines Zeugen in besonderem Maße an, darf die Vernehmung nicht einem ersuchten oder beauftragten Richter übertragen werden.[309]

[306] BGH NJW-RR 1997, 152, 153; BGH NJW 2000, 140, 1421.
[307] Stein/Jonas/Leipold, § 284 Rn 35 f.; RGZ 49, 374.
[308] Vgl. dazu Schneider, MDR 1998, 1133.
[309] BGH NJW 1996, 2734.

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