Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 217
Der Umgang mit rechtswidrig erlangten Beweismitteln spielt insbesondere bei der Verwertung von Augenscheinsobjekten, aber auch beim Urkunden- und Zeugenbeweis eine Rolle, vgl. auch bereits Rdn 121 ff. Die Verwertung unzulässig erlangter Beweismittel ist in der ZPO allerdings nicht ausdrücklich geregelt (vgl. aber § 51 BZRG); sie kennt selbst für rechtswidrig erlangte Informationen oder Beweismittel kein – ausdrückliches – prozessuales Verwendungs- oder Verwertungsverbot. Auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sind keine entsprechenden Regeln enthalten. Art. 6 EMRK garantiert nur allgemein das Recht auf ein faires Verfahren. Auch die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes bzw. der DSGVO konkretisieren "lediglich" den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel im Zivilprozess vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften.
BGH NJW 2018, 2883, 2886:
Zitat
Die Unzulässigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung führt nicht ohne Weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot. Ob ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners durch die Verwertung von Beweismitteln gerechtfertigt ist, richtet sich nach dem Ergebnis der Abwägung zwischen dem, gegen die Verwertung streitenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht, hier in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung, auf der einen und den, für die Verwertung sprechenden rechtlich geschützten Interessen auf der anderen Seite. Das Grundgesetz – insbesondere das unter anderem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip – misst dem Erfordernis einer wirksamen Rechtspflege eine besondere Bedeutung bei. Im Zivilprozess, in dem über Recht und Rechtspositionen der Parteien innerhalb eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses gestritten wird, sind die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege und das Streben nach einer materiell richtigen Entscheidung wichtige Belange des Gemeinwohls. Um die Wahrheit zu ermitteln, sind die Gerichte deshalb grundsätzlich gehalten, von den Parteien angebotene Beweismittel zu berücksichtigen, wenn und soweit eine Tatsachenbehauptung erheblich und beweisbedürftig ist. Dies gebieten auch der in § 286 ZPO niedergelegte Grundsatz der freien Beweiswürdigung sowie das grundrechtsähnliche Recht auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG. Aus ihnen folgt die grundsätzliche Verpflichtung der Gerichte, den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen.
Zur Frage der Verwertbarkeit von Zeugenaussagen im Zivilverfahren, die auf dem rechtswidrigen Mithören von Telefongesprächen Dritter beruhen, hat das BVerfG weiter entschieden, dass allein das allgemeine Interesse an einer funktionstüchtigen Straf- und Zivilrechtspflege nicht ausreicht, um im Rahmen der Abwägung stets von einem gleichen oder gar höheren Gewicht ausgehen zu können, als es dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zukommt. Vielmehr müssen weitere Aspekte hinzutreten, die ergeben, dass das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Persönlichkeitsbeeinträchtigung schutzbedürftig ist. Im Zivilprozess kann es Situationen geben, in denen dem Interesse an der Beweiserhebung – über das stets bestehende "schlichte" Beweisinteresse hinaus – besondere Bedeutung für die Rechtsverwirklichung einer Partei zukommt. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung werde dies etwa in Fällen angenommen, in denen sich der Beweisführer in einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage befinde. Demgegenüber reiche allein das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, nicht aus. Schematische Betrachtungen verbieten sich mithin, vgl. beispielsweise BGH NJW 2003, 1123:
Zitat
Ist die Partei des Zivilprozesses in einem vorangegangenen Strafverfahren entgegen §§ 163a Abs. 4, 136 Abs. 1 S. 2 StPO nicht belehrt worden, so folgt im nachfolgenden Zivilprozess nicht allein daraus ein Beweisverbot bezüglich der Vernehmung der Verhörsperson als Zeuge und der urkundlichen Verwertung der polizeilichen Niederschrift über diese Vernehmung. Über die Frage der Verwertbarkeit ist vielmehr aufgrund einer Interessen- und Güterabwägung im Einzelfall zu entscheiden. Jedenfalls wenn das Strafverfahren bereits rechtskräftig zu einem Freispruch geführt hat, ist ein Schutzbedürfnis der Partei grundsätzlich nicht mehr gegeben.
Rz. 218
Das Gericht muss im Übrigen nur dann von Amts wegen prüfen, ob ein Verwertungsverbot eingreift, wenn entsprechende Anhaltspunkte dazu Anlass geben und die betreffende Partei nicht wirksam darauf verzichtet hat, die – etwaige – Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend zu machen. So kommt beispielsweise ein Beweisverbot wegen eines unterlassenen Hinweises nach §§ 163a Abs. 4, 136 Abs. 1 S. 2 StPO nur in Betracht, wenn das Gericht im Freibeweisverfahren die Ü...