Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 256
Wird der Geschäftsherr in Anspruch genommen, weil der Verrichtungsgehilfe einem Dritten widerrechtlich einen Schaden zugefügt hat, wird das Verschulden des Geschäftsherrn vermutet; er kann sich allerdings exkulpieren, § 831 BGB, wenn er nachweist, bei der Auswahl und Überwachung des Verrichtungsgehilfen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet zu haben.
Der Verletzte braucht zunächst nur zu beweisen, dass ihm der Verrichtungsgehilfe in Ausführung der Verrichtung, zu der ihn der Geschäftsherr bestellt hat, einen Schaden zugefügt hat. Der Darlegungs- und Beweislast ist genügt, wenn feststeht, dass die handelnde Person ein Mitarbeiter des beklagten Unternehmens ist bzw. im Zeitpunkt der schädigenden Handlung war. Steht hingegen fest, dass die handelnde Person kein Mitarbeiter des vermeintlichen Geschäftsherrn war, ist es Sache des Geschädigten, die Beziehung zwischen dem Beklagten und der handelnden Person aufzuklären und entsprechend vorzutragen. Den vermeintlichen Prinzipal trifft nach der Rechtsprechung keine sekundäre Darlegungslast für Umstände, die für die Feststellung der Eigenschaft als Verrichtungsgehilfe relevant sind.
Hat der Geschädigte seinen Teil getan, ist es Sache des Geschäftsherrn vorzutragen und im Streitfalle zu beweisen, dass sich der Gehilfe rechtmäßig verhalten hat nämlich so, wie sich jede andere zuverlässige Person verhalten hätte.
An die Exkulpation des Geschäftsherrn werden im Einzelfall hohe Anforderungen gestellt. So gehören zur Überwachung eines angestellten Kraftfahrers unauffällige Kontrollfahrten; aber es besteht keine Verpflichtung eines Mandanten zur Überwachung des Handelns seines Anwaltes.
Rz. 257
Sehr streng OLG Frankfurt r+s 1994, 255:
Zitat
An den Entlastungsbeweis des Inhabers einer Kfz-Werkstatt für einen bei ihm tätigen Mechaniker sind hohe Anforderungen zu stellen. Der Geschäftsherr muss den Nachweis fortdauernder, planmäßiger, unauffälliger Überwachung mit unerwarteten Kontrollen führen. Es genügt nicht, wenn der Geschäftsherr vorträgt, der Mitarbeiter habe zwei Jahre als Geselle einwandfreie Arbeit geleistet und es hätten keine Anhaltspunkte vorgelegen, dass eine Überwachung etwa wegen vorangegangener, nicht ordnungsgemäßer Reparaturen erforderlich gewesen sei. Gerade bei Kfz-Reparaturwerkstätten, die wegen der mit unsachgemäß durchgeführten Reparaturen verbundenen erheblichen Gefahrenquellen besonders sorgfältig arbeiten müssen, kommt der Pflicht zu allgemeiner fortwährender Überwachung eine besondere Bedeutung zu.
Um den Entlastungsbeweis zu führen, muss der Geschäftsherr nach Zeit, Ort und Umständen spezifiziert darlegen, wie die Überwachung durchgeführt worden ist und auf welche Weise er sich in regelmäßigen Abständen Kenntnis von der Arbeitsweise, der Sorgfalt und dem Verantwortungsbewusstsein des Mitarbeiters verschafft hat.
Für ein Großunternehmen dürfte trotz einiger Unklarheiten grundsätzlich noch der dezentralisierte Entlastungsbeweis, möglich sein, d.h., es braucht sich nur hinsichtlich des von ihm direkt angestellten Leiters des Personalwesens zu entlasten. Der BGH hat die Rechtsfigur des dezentralisierten Entlastungsbeweises allerdings im Bereich der Produkthaftung in Frage gestellt. Es wird insbesondere angenommen, dass allgemeine Aufsichtsanordnungen zum Aufgabenkreis des Geschäftsherren selbst gehören und er sich seiner Pflicht zu einer allgemeinen Oberaufsicht nicht entledigen kann. Ohne den Nachweis, diesen Anforderungen genügt zu haben, kann der Entlastungsbeweis nicht geführt werden. Weiter dürfte zu fordern sein, das der Geschäftsherr im Rahmen des dezentralisierten Entlastungsbeweises nachweist, dass die leitenden Angestellten ihrerseits den nachgeordneten und schädigenden Angestellten sorgfältig ausgewählt, angeleitet und überwacht haben.