Dr. iur. Christian Saueressig
1. Entwendung einer EC-Karte
Rz. 310
Wird einem Karteninhaber seine EC-Karte gestohlen und dann von einem Bankautomaten Geld abgehoben, hat allein die Bank für den Schaden aufzukommen. Es sei denn, den Bankkunden trifft ein Mitverschulden. Darlegungs- und beweispflichtig dafür ist aber die Bank. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken sehen zumeist zumindest für den Fall eines groben Mitverschuldens des Bankkunden dessen Haftung vor.
Streitig war, ob ein Anscheinsbeweis zulasten des Karteninhabers gilt, dass er entweder den Betrag selbst abgehoben oder aber nicht hinreichend Vorsorge dafür getroffen hat, dass einem Dritten die Code-Nr. nicht bekannt werden konnte.
Für einen solchen Anscheinsbeweis u.a. LG Frankfurt WM 1999, 1930; LG Stuttgart WM 1999, 1934; a.A. u.a. OLG Hamm NJW 1997, 1711 mit der Begründung, es sei nicht auszuschließen, dass sich ein Dieb durch Ausprobieren oder Entschlüsseln der auf der Karte gespeicherten Daten den Zugang verschafft hat. Da das wiederum nicht sehr schnell geht, wird teilweise in der Rspr. danach differenziert, wieviel Zeit zwischen dem behaupteten Diebstahl und der Abhebung lag, vgl. z.B. LG Rottweil WM 1999, 1934. Das OLG Frankfurt WM 2002, 2101, 2103 bejaht das Vorliegen eines Anscheinsbeweises mit der Begründung, dass aufgrund der außerordentlichen Schwierigkeiten, an die PIN zu kommen, davon ausgegangen werden muss, dass der Karteninhaber diese pflichtwidrig bei sich getragen hat.
Das OLG Oldenburg NJW-RR 2000, 1718 hat die Frage des Anscheinsbeweises offengelassen, weil sich im konkreten Fall Anhaltspunkte für eine andere Ursache der Kenntniserlangung des Diebes von der Code-Zahl ergaben als die Sorglosigkeit des Karteninhabers.
BGH MDR 2001, 162 geht von einer nur einfachen Fahrlässigkeit für den Fall aus, dass der Karteninhaber die EC-Karte während einer Auslandsreise in seiner Wohnung in einem unverschlossenen Behältnis auf dem Schreibtisch zurückließ. Anders sei es dann, wenn EC-Karte und Geheimnummer zusammen aufbewahrt würden, so dass ein Unbefugter sie in einem Zugriff erlangen könnte.
Im Jahr 2004 hat der BGH schließlich Folgendes entschieden, NJW 2004, 3623, 3624:
Zitat
1. |
Wird zeitnah nach dem Diebstahl einer ec-Karte unter Verwendung dieser Karte und Eingabe der richtigen persönlichen Geheimzahl (PIN) an Geldausgabeautomaten Bargeld abgehoben, spricht grundsätzlich der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Karteninhaber die PIN auf der ec-Karte notiert oder gemeinsam mit dieser verwahrt hat, wenn andere Ursachen für den Missbrauch nach der Lebenserfahrung außer Betracht bleiben. |
2. |
Die Möglichkeit eines Ausspähens der persönlichen Geheimzahl (PIN) durch einen unbekannten Dritten kommt als andere Ursache grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn die ec-Karte in einem näheren zeitlichen Zusammenhang mit der Eingabe der PIN durch den Karteninhaber an einem Geldausgabeautomaten oder einem POS-Terminal entwendet worden ist. |
2. Kaufmännisches Bestätigungsschreiben
Rz. 311
Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben wird als Zustimmung gewertet (§ 346 HGB), wenn die Abweichungen von dem Ergebnis der Verhandlungen nur geringfügig sind – z.B. Beifügung der AGB – und der Empfänger nicht unverzüglich widerspricht; der Empfänger muss beweisen, dass die Abweichungen erheblich sind.
3. Negative Feststellungsklage
Rz. 312
Eine negative Feststellungsklage darf nur abgewiesen werden, wenn der Anspruch, dessen sich der Feststellungsbeklagte berühmt, feststeht. Bleibt unklar, ob die streitige Forderung besteht, muss der auf Negation gerichteten Feststellungsklage ebenso stattgegeben werden, wie wenn feststeht, dass der streitige Anspruch nicht besteht.
Dem Anspruchsteller in der Rolle des Feststellungsbeklagten obliegt der Beweis derjenigen Tatsachen, aus denen er seinen Anspruch herleitet, denn auch bei der leugnenden Feststellungsklage ist Streitgegenstand der materielle Anspruch.
4. Haftung im Online-Bereich (insbesondere Filesharing)
Rz. 313
Bei der Haftung von Access-Providern sind zwei Entscheidungen des BGH aus dem Jahr 2016 beachtenswert: Inhaltlich ging es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen Telekommunikationsunternehmen, die ihren Kunden den Zugang zum Internet vermitteln, zur Sperrung bestimmter Internetseiten verpflichtet sein können. In den entschiedenen Fällen verlangten die klagenden Rechteinhaber jeweils von dem beklagten Access-Provider, es zu unterlassen, Dritten – namentlich den Kunden des Access-Providers – den Zugang zu näher bezeichneten Internetseiten zu vermitteln. Die in Rede stehenden Internetseiten – goldesel.to und 3dl.am – enthielten Sammlungen von Hyperlinks (URLs), die auf urheberrechtlich geschützte Musikwerke verweisen, welche zuvor bei Sharehostern von Dritten widerrechtlich hochgeladen worden waren (3dl.am) bzw. in einem Peer-to-Peer-Netzwerk zum Abruf bereitstanden (goldesel.to).
Zwar lehnte der BGH die Verpflichtung der Beklagten zur Einrichtung der begehrten Zugangssperren im Erge...