Dr. iur. Christian Saueressig
1. Unterlassung
Rz. 269
Klagt jemand auf Unterlassung einer ehrenrührigen Behauptung, hat er zu beweisen, dass der Beklagte die Behauptung aufgestellt hat und dass sie nicht der Wahrheit entspricht; anders aber – und das ist der Regelfall –, wenn die Behauptung eine üble Nachrede im Sinne des § 186 StGB darstellt; dann hat der Beklagte den Wahrheitsbeweis für seine Behauptung anzutreten. Ein non liquet geht zu seinen Lasten.
Aber BGHZ 132, 13, 23:
Zitat
Eine nicht erweislich wahre ehrenrührige Behauptung darf dann, wenn auch ihre Unwahrheit nicht bewiesen ist, zumindest in Fällen, in denen es um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit geht, auf der Grundlage der dann nach Art. 5 Abs. 1 GG und § 193 StGB vorzunehmenden Güterabwägung demjenigen, der sie aufgestellt hat, zumindest solange nicht untersagt werden, als er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf.
Der Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB setzt aber des Weiteren voraus, dass eine Wiederholungsgefahr besteht. Ist bereits ein rechtswidriger Eingriff erfolgt, begründet schon dieser regelmäßig die Wiederholungsgefahr. Es ist dann Sache des Beklagten, die gegen ihn sprechende Vermutung auszuräumen; notfalls durch eine strafbewehrte Unterwerfungserklärung.
2. Widerruf
Rz. 270
Etwas anderes gilt für die Klage auf Widerruf ehrenrühriger Tatsachenbehauptungen, im Unterschied zu Werturteilen; hier hat der Kläger nicht nur zu beweisen, dass der Beklagte die Behauptung aufgestellt hat, sondern auch, dass sie nicht der Wahrheit entspricht; es soll niemandem zugemutet werden, etwas zu widerrufen, was möglicherweise der Wahrheit entspricht. Denn der Widerruf einer Tatsachenbehauptung wird dahingehend verstanden, dass die beklagte Partei, die aufgestellte Behauptung als unwahr widerruft.
Lepa, Beweislast, S. 23:
Zitat
Eine so intensiv in den Persönlichkeitsbereich des Betroffenen hineinreichende Verurteilung lässt die Rechtsordnung aber nur dann zu, wenn die Unwahrheit der Behauptung feststeht; die Verpflichtung, eine Behauptung zu widerrufen, die doch wahr sein kann, geriete mit den grundrechtlichen Postulaten der Art. 1 und 2 GG in Konflikt.
Allerdings hat der Gegner im Falle übler Nachrede seine Vorwürfe zu substantiieren.
Einen beschränkten Widerruf – also die Erklärung, die Behauptung nicht aufrechtzuerhalten – kann derjenige verlangen, der zwar die Unwahrheit der gegnerischen Behauptung nicht beweisen kann, wenn ernsthafte Anhaltspunkte für die Wahrheit der Behauptung aber ausgeräumt sind.
Rz. 271
Beispiel
Ein Unternehmen verklagt einen Schuldner S auf Zahlung von 1.000 EUR.
Dieser macht zu seiner Verteidigung geltend, dem Angestellten A des Unternehmens den geschuldeten Betrag gezahlt zu haben. Da S den Beweis dafür nicht antreten kann, lässt er auf Anraten seines Prozessbevollmächtigten Anerkenntnisurteil gegen sich ergehen.
Nunmehr klagt aber A gegen S auf Widerruf der Behauptung, S hab ihm 1.000 EUR gezahlt, die A ja unterschlagen haben muss, wenn er sie nicht bei dem Unternehmen abgeliefert hat.
Das Gericht erhebt Beweis darüber, ob A von S 1.000 EUR nicht bekommen hat. Da A das nicht beweisen kann, weist es die Widerrufsklage ab. Einer Unterlassungsklage hätte es wohl stattgegeben.
Tatsächlich wären aber beide Ansprüche unbegründet, weil hinsichtlich einer in einem Prozess aufgestellten Behauptung, soweit sie der Verteidigung dient, eine Partei im Zivilrechtsweg nicht belangt werden kann. Eine Partei soll in einem Zivilverfahren alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich hält, auch wenn der Gegner oder sogar Dritte davon in ihrer Ehre berührt werden. Etwas anderes gilt für unsachliche Äußerungen, die nicht für sich in Anspruch nehmen können, der Wahrnehmung der eigenen Rechte zu dienen, sondern ausschließlich ehrverletzend sein sollen, also für die Schmähkritik.