1. Beweislastumkehr bei grober Verletzung von Berufspflichten

 

Rz. 272

Werden Berufspflichten grob fahrlässig verletzt, die dem Schutz des Körpers oder der Gesundheit anderer Personen dienen, kehrt sich die Beweislast für die Schadensursächlichkeit der Pflichtverletzung um.

BGH NJW 2018, 301 zur Schwimmbadaufsicht:[687]

Zitat

Wer eine besondere Berufs- oder Organisationspflicht, andere vor Gefahren für Leben und Gesundheit zu bewahren, grob vernachlässigt hat, muss die Nichtursächlichkeit festgestellter Fehler beweisen, die allgemein als geeignet anzusehen sind, einen Schaden nach Art des eingetretenen herbeizuführen. Dies gilt auch im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Verpflichtung zur Überwachung eines Schwimmbadbetriebs.

BGH NJW 2017, 2108 zum Hausnotrufvertrag:

Zitat

Wer eine besondere Berufs- oder Organisationspflicht, die dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer dient, grob vernachlässigt hat, kann nach Treu und Glauben die Folgen der Ungewissheit, ob der Schaden abwendbar war, nicht dem Geschädigten aufbürden. In derartigen Fällen ist die regelmäßige Beweislastverteilung dem Geschädigten nicht zuzumuten. Der seine Pflichten grob Vernachlässigende muss daher die Nichtursächlichkeit festgestellter Fehler beweisen, die allgemein als geeignet anzusehen sind, einen Schaden nach Art des eingetretenen herbeizuführen.

Diese insbesondere für die Arzthaftung[688] geltende Regel gilt jedoch nach BGH VersR 1994, 1231 nicht für die Anwaltshaftung.

[687] Vgl. Koch/Rupp, NJW 2018, 267.
[688] BGH NJW 1996, 2428; BGH NJW-RR 2010, 831, 833; vgl. auch § 630h Abs. 5 S. 1 BGB.

2. Amtspflichtverletzung, fehlerhafte Stellenbesetzung

 

Rz. 273

Ein Amtshaftungsanspruch gegen die öffentlich-rechtliche Körperschaft entsteht dem Bewerber für eine Einstellung oder dem Bediensteten, dem eine Beförderung versagt wird, wenn er zu Unrecht einem Konkurrenten unterlegen ist. Es liegt auf der Hand, dass der Anspruchsteller bei dem (notwendig) breiten Ermessens- und Beurteilungsspielraum des Dienstherrn Schwierigkeiten hat darzulegen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Handeln des Amtsträgers genommen hätten. Dem trägt die Rechtsprechung[689] dadurch Rechnung, dass sie dem Geschädigten durch Beweiserleichterungen hilft. Steht die Amtspflichtverletzung und eine zeitlich nachfolgende Schädigung fest, hat die öffentliche Körperschaft den Nachweis zu führen, dass der Schaden nicht auf ihrer Amtspflichtverletzung beruht; Voraussetzung ist allerdings, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung für den Anspruchsteller spricht.[690]

3. Anwaltshaftung

 

Rz. 274

Wird der Anwalt von seinem früheren Mandanten mit der Begründung in Anspruch genommen, er habe ihn falsch beraten oder einen Rechtsstreit fehlerhaft geführt, hängt der Ausgang eines sich daraus entwickelnden Rechtsstreits nicht zuletzt von der Verteilung der Beweislast ab.

Behauptet der Anwalt, seinen Mandanten hinreichend aufgeklärt zu haben, muss nämlich der Mandant das Gegenteil beweisen;[691] den Anwalt trifft allerdings eine gesteigerte Substantiierungslast,[692] vgl. § 2 Rdn 70.

OLG Düsseldorf NJWE-VHR 97, 12:

Zitat

Wer einen Anwalt aus Verletzung seiner Aufklärungspflicht in Anspruch nimmt, weil dieser seine Pflicht nicht gehörig erfüllt habe, trägt für dieses Unterlassen die Beweislast, auch wenn ihm damit der Beweis einer negativen Tatsache aufgebürdet wird.

BGH NJW 2000, 730, 732:

Zitat

Für den haftungsausfüllenden Ursachenzusammenhang zwischen anwaltlicher Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden, der gemäß § 287 ZPO festzustellen ist, trägt der Mandant die Beweislast, die durch den Beweis des ersten Anscheins und die – gegenüber § 286 ZPO – geringeren Anforderungen des § 287 ZPO an die Darlegungslast und das Beweismaß erleichtert wird. Einen erstattungsfähigen Schaden hat der Mandant in der Regel erlitten, wenn er einen Prozess verloren hat, den er bei sachgemäßer anwaltlicher Vertretung gewonnen hätte. Für diese hypothetische Beurteilung ist maßgeblich, wie der Vorprozess nach Auffassung des Gerichts, das mit dem Regressanspruch befasst ist, richtigerweise hätte entschieden werden müssen. Dabei ist von dem Sachverhalt auszugehen, der dem Gericht des Vorprozesses unterbreitet und von diesem aufgeklärt worden wäre. Die Beweislastregeln des Vorverfahrens gelten grundsätzlich auch für den Regressprozess.

 

Rz. 275

Steht eine Pflichtverletzung des Anwaltes fest und lässt sich der Anwalt dahin gehend ein, sie sei wegen einer späteren Weisung seines Mandanten für den eingetretenen Schaden nicht kausal geworden, hat der Anwalt diese behauptete Weisung zu beweisen.[693] (Der Anwalt hatte es weisungswidrig unterlassen, Klage auf Zahlung des Kaufpreises zu erheben, und sich dahin gehend eingelassen, der Mandant habe ihn später aufgefordert, Rücktritt vom Vertrag zu erklären.)

Der Anwalt hat auch grundsätzlich von der Belehrungsbedürftigkeit seines Auftraggebers auszugehen:[694]

Zitat

Dies gilt sogar gegenüber rechtlich und wirtschaftlich erfahrenen Personen. Behauptet der Rechtsanwalt, der Mandant habe d...

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