a) Allgemeines
Rz. 294
Eine ausdrückliche Regelung über Gefahrerhöhungen in der Feuerversicherung enthalten § 6 AFB 87/B § 9 AFB 2010. Danach darf der Versicherungsnehmer nach Antragstellung ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrerhöhung vornehmen oder gestatten. Er hat jede Gefahrerhöhung, die ihm bekannt wird, dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen, und zwar auch dann, wenn sie ohne seinen Willen eintritt.
Im Bereich der Feuerversicherung haben folgende Fallgruppen von Gefahrerhöhungen eine besondere praktische Bedeutung:
b) Leerstehende Gebäude
Rz. 295
Bleiben versicherte Gebäude für längere Zeit unbewohnt, begründet dies die Gefahr, dass spielende Kinder, Einbrecher, Landstreicher oder sonstige Unbefugte in das Gebäude eindringen und dadurch die Gefahr eines Brandes erhöhen. Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist das längere Leerstehen eines Wohngebäudes gefahrerhöhend, sofern das Gebäude kraft seiner Lage oder seines Zustandes Unbefugte dazu einlädt, in ihm Unterschlupf zu suchen und der Versicherungsnehmer hiergegen keine Vorkehrungen getroffen hat.
Der Leerstand allein reicht für eine Gefahrerhöhung nicht aus. Neben dem Leerstand des Wohngebäudes müssen besonders erschwerende Umstände hinzutreten, wie beispielsweise
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Ortsrandlage, |
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verwahrloster Zustand des Gebäudes, |
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Lagerung von Gerümpel, |
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erleichterter Zugang zum Gebäude, |
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Duldung der Tatsache, dass das Gebäude von Nichtsesshaften zur Wohnung benutzt wird, |
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Duldung der Tatsache, dass das Gebäude von jugendlichen Besetzern bewohnt wird bei gleichzeitigem Abschalten der Stromzufuhr, weil dadurch Gefahr eines offenen Feuers erhöht wird, |
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Offenkundigkeit des Leerstandes, z.B. Internetplattform für "lost places". |
Rz. 296
Zwar kann der durch einen Leerstand begründeten Gefahrerhöhung durch Maßnahmen zur Gefahrenkompensation begegnet werden. Hieran werden jedoch strenge Anforderungen gestellt.
Dieselbe Problematik gilt für stillgelegte Betriebe. Zwar stellt die Betriebsstilllegung grundsätzlich auch eine Gefahrminderung dar, weil die verschiedenen mit der Unterhaltung des Betriebes verbundenen Feuergefahren nunmehr abgestellt sind. Andererseits werden durch den Leerstand des Gebäudes weitere Risiken begründet, die vom Versicherer bislang bei der Risikokalkulation keine Berücksichtigung fanden und unter Umständen schwerer wiegen als die mit dem Betrieb des Gebäudes verbundenen Feuerrisiken.
In jedem Fall muss der Versicherungsnehmer Kenntnis von den die Gefahrerhöhung begründenden Umständen des Leerstands und der Verwahrlosung haben.
c) Brandreden
Rz. 297
Unter "Brandreden" wird die indirekte Anstiftung zur vorsätzlichen Brandstiftung durch Dritte verstanden. Danach stellt es bereits eine Gefahrerhöhung dar, wenn der Versicherungsnehmer oder einer seiner Repräsentanten gegenüber Dritten den Wunsch äußert, eine versicherte Sache möge abbrennen. Selbst eine dahingehende Äußerung gegenüber der Ehefrau des Versicherungsnehmers soll ausreichen, wenn auch diese als Brandstifterin in Betracht kommt oder die Kenntnisnahme Dritter kalkuliert ist. Sie kann aber auch als eines von mehreren Indizien für eine Eigenbrandstiftung herangezogen werden.
d) Nutzungsänderung
Rz. 298
Auch die Nutzungsänderung eines Gebäudes kann eine Gefahrerhöhung darstellen. So stellt die Änderung der gewerblichen Nutzung in einen Bordellbetrieb eine anzeigepflichtige Gefahrerhöhung dar. Gleiches kann für die Lagerung von Drogen oder die Einrichtung eines Treffpunktes für Drogenkuriere gelten. Zur Begründung wird auf das mit der Nutzung verbundene kriminelle Milieu abgestellt. Entscheidend ist vor allem, ob der Versicherer bei dieser Nutzung den Vertrag überhaupt nicht oder jedenfalls nicht zur vereinbarten Prämie abgeschlossen hätte.