Rz. 275

Eine Zusammenstellung der wesentlichen Obliegenheiten im und nach dem Versicherungsfall enthalten § 13 AFB 87 und B § 8 Nr. 2 AFB 2010.

a) Schadenanzeige

 

Rz. 276

§ 13 Nr. 1 a AFB 87 und B § 8 Nr. 2 AFB 2010 verpflichten den Versicherungsnehmer bei Eintritt eines Versicherungsfalles dazu, den Schaden dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. Dadurch soll die beiderseitige Beweisführung für die Ursache des Schadens und dessen Umfang erleichtert werden. Gleichfalls beugt sie Manipulationen über den Schadenumfang durch den Versicherungsnehmer vor.

 

Rz. 277

Voraussetzung für die Pflicht zur Schadenanzeige ist, dass der Versicherungsnehmer positive Kenntnis vom Versicherungsfall hat. Kennenmüssen reicht nicht aus.[307] Der Versicherungsnehmer muss also wissen, dass sich das versicherte Risiko verwirklicht und einen gedeckten Schaden verursacht hat. Weniger genügt nach Ansicht des BGH[308] nur, wenn "der Tatrichter die Überzeugung gewinnt und darlegt, der Versicherungsnehmer habe den sich aufdrängenden Schluss auf die naheliegende Schadenursache gezogen" und deshalb ein versichertes Ereignis erkannt.

 

Rz. 278

Die Anzeige gegenüber dem Versicherer gilt als unverzüglich, wenn sie vom Versicherungsnehmer ohne schuldhaftes Zögern nach Kenntniserlangung abgesendet wird.[309] Eine zeitliche Konkretisierung findet sich auch im Palandt nicht. Da die Anzeige auch erfolgt, um dem Versicherer die Möglichkeit zu geben, aufgrund überragender Fachkenntnis Weisung zu erteilen oder Fachleute einzuschalten, dürfte "unverzüglich" eher kurz bemessen sein (1–3 Tage). Dies auch deswegen, weil nur die Anzeige zu erfolgen hat und alle weitere Tatsachen in die Aufklärungspflicht fallen.

 

Rz. 279

Kommt sie beim Versicherer nicht an, genügt nach einer teilweise in Rechtsprechung vertretenen Auffassung[310] die Behauptung des Versicherungsnehmers, die Anzeige abgesendet zu haben. Diese Auffassung vermag jedoch nicht zu überzeugen. Der Zweck der Obliegenheit kann nur erreicht werden, wenn dem Versicherer die Information über einen Versicherungsfall zugeht.[311] Der Versicherer trägt deswegen auch nur dafür die Beweislast, dass er keine rechtzeitig abgesandte Schadenanzeige erhalten hat. Der Versicherungsnehmer muss im Rahmen sekundärer Beweislast substantiierte Angaben über die Versendung machen.[312]

 

Rz. 280

Zwar sieht § 20 AFB 87 Schriftform, B § 17 Nr. 1 AFB 2010 Textform vor, dies gilt jedoch ausdrücklich nicht für die Schadenanzeige gem. § 13 Nr. 1 a AFB 87/B § 8 Nr. 2 a bb AFB 2010, die auch mündlich erfolgen kann.

Mündliche Anzeigen des Schadenfalls gelten als zugegangen, wenn sie dem Vertreter des Versicherers (z.B. Agent) mitgeteilt werden. Der Versicherungsvertreter ist insoweit "Auge und Ohr" des Versicherers.[313]

[307] BGH v. 30.4.2008 – IV ZR 227/06, VersR 2008, 905 ff.; BGH VersR 1967, 56; Langheid/Rixecker/Rixecker, § 30 VVG Rn 4.
[309] Prölss/Martin/Armbrüster, § 30 VVG Rn 7.
[310] OLG Hamm VersR 1991, 46; LG Berlin zfs 2001, 125, 126.
[311] Langheid/Rixecker/Rixecker, § 30 VVG Rn 10 mit Verweis auf BGH VersR 2006, 106.
[312] Prölss/Martin/Armbrüster, § 30 VVG Rn 22.
[313] Boldt, S. 13 "Anzeigepflicht".

b) Polizeiliche Meldung, Verzeichnis

 

Rz. 281

Sind versicherte Sachen bei dem Schadenfall abhandengekommen, ist der Versicherungsnehmer zu einer unverzüglichen Anzeige gegenüber der zuständigen Polizeidienststelle verpflichtet. Darüber hinaus hat der Versicherungsnehmer gem. § 13 Nr. 1 b AFB 87/B § 8 Nr. 2 a ff AFB 2010 bei Eintritt eines Versicherungsfalles unverzüglich ein Verzeichnis der abhandengekommenen Sachen bei der Polizeidienststelle einzureichen.

 

Rz. 282

§ 13 Nr. 1 g AFB 87 bzw. B § 8 Nr. 2 AFB 2010 bestimmt, dass dem Versicherer auf dessen Verlangen innerhalb einer angemessenen Frist von mindestens zwei Wochen ein vom Versicherungsnehmer unterschriebenes Verzeichnis aller abhandengekommenen, zerstörten oder beschädigten Sachen vorzulegen ist.

Die Pflicht zur Unverzüglichkeit der vom Versicherungsnehmer zu veranlassenden Maßnahmen gegenüber der Polizei ist zwar auch Ausdruck des Bemühens, den staatlichen Strafverfolgungsbehörden eine Wiederbeschaffung der abhandengekommenen Gegenstände zu ermöglichen. Vorrangiges Ziel ist es jedoch, dem Versicherungsnehmer keine Möglichkeit für Manipulationen bei der Erfassung des Schadenumfangs zu bieten.

c) Schadenabwendung, Schadenminderung

 

Rz. 283

Im Zuge der Pflicht zur Schadenabwendung und Schadenminderung hat der Versicherungsnehmer alles zu tun, um den Eintritt eines unmittelbar drohenden Schadens abzuwenden und die Auswirkungen des bereits eingetretenen Schadens so gering wie möglich zu halten (§ 13 Nr. 1 c AFB 87/B § 8 Nr. 2 a aa AFB 2010). Dabei hat er die Weisungen des Versicherers zu beachten (B § 8 Nr. 2 a cc AFB 2010). Zu den daraus resultierenden Pflichten des Versicherungsnehmers kann es – je nach Zumutbarkeit – gehören,

sich an den Löschmaßnahmen zu beteiligen,
das versicherte Gebäude niederzureißen oder auszuräumen,
getrocknete und sichergestellte Sachen ordnungsgemäß und sicher unterzustellen,
gebotene...

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