Rz. 230
§ 11 Nr. 5 AFB 87 bzw. A § 8 Nr. 2 AFB 2010 enthalten für den Bereich der Neuwertversicherung eine so genannte Wiederherstellungsklausel. Danach erwirbt der Versicherungsnehmer einen Anspruch auf den Teil der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil), nur dann, wenn er innerhalb von drei Jahren nach dem Eintritt des Versicherungsfalls sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung wiederherzustellen bzw. wiederzubeschaffen. Die Wiederherstellungsklausel gilt sowohl für Gebäude als auch für bewegliche Sachen. Dogmatische Grundlage der Wiederherstellungsklauseln ist § 93 VVG.
Sinn und Zweck der Wiederherstellungsklauseln ist es, dem Versicherungsnehmer nur für ungeplante, aufgezwungene Ausgaben und nur in Form von Sachwerten den erforderlichen besonderen Vermögensausgleich durch die Neuwertentschädigung zukommen zu lassen.
Rz. 231
Wird das vom Schadenfall betroffene Gebäude vor dessen Reparatur oder Wiederherstellung an einen Dritten veräußert, geht damit auch der Versicherungsvertrag auf den Erwerber über, § 95 VVG. Wird im Kaufvertrag keine ausdrückliche Regelung über den Neuwertanteil getroffen, steht der Anspruch auf die Neuwertspitze bis zum Eigentumsübergang dem Veräußerer zu, wenn bis dahin die Wiederherstellung sichergestellt war. Wird diese Voraussetzung erst nach dem Eigentumsübergang herbeigeführt, ist der Erwerber gegenüber dem Versicherer insoweit anspruchsberechtigt. Gleichfalls steht dem Versicherungsnehmer die Neuwertspitze zu, wenn er das Gebäude mit einem Kaufpreisnachlass in Höhe der Neuwertspitze mit bindenden Vereinbarungen zur Wiederherstellung veräußert.
a) Einfache und strenge Wiederherstellungsklausel
Rz. 232
Grundsätzlich ist zwischen einfacher und strenger Wiederherstellungsklausel zu unterscheiden.
Rz. 233
Die einfache Wiederherstellungsklausel zeichnet sich dadurch aus, dass der Versicherungsnehmer bereits mit dem Eintritt des Versicherungsfalles den Anspruch auf Zahlung des über den Zeitwertschaden hinausgehenden Neuwertschadens dem Grunde nach erwirbt, die Fälligkeit des Anspruchs jedoch von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht wird. Eine solche einfache Wiederherstellungsklausel enthielt § 17 Nr. 3 AFB 30.
Rz. 234
Demgegenüber enthalten § 11 Nr. 5 AFB 87 bzw. A § 8 Nr. 2 AFB 2010 strenge Wiederherstellungsklauseln. Sie unterscheiden sich von der einfachen Wiederherstellungsklausel dadurch, dass der Anspruch auf den über den Zeitwertschaden hinausgehenden Neuwertanteil der Versicherungsleistung erst dann entsteht, wenn die Wiederherstellung der versicherten Sachen gesichert ist, das zerstörte Gebäude also tatsächlich wiederhergestellt wird. Anders als einfache Wiederherstellungsklauseln berühren strenge Wiederherstellungsklauseln also nicht lediglich die Fälligkeit eines dem Grunde nach bereits durch Eintritt des Versicherungsfalles entstandenen Anspruchs auf Versicherungsleistungen. Vielmehr entsteht der Anspruch auf einen den Zeitwertschaden übersteigenden Neuwertanteil erst mit der Wiederherstellung oder ihrer Sicherstellung.
b) Wiederherstellung
Rz. 235
§ 11 Nr. 5 AFB 87/A § 8 Nr. 2 AFB 2010 stellt strenge und zwingend einzuhaltende Voraussetzungen an den Nachweis der Verwendung der Versicherungsentschädigung. Die bestimmungsgemäße Verwendung der Entschädigung oder jedenfalls die Prognose, dass diese Verwendung sichergestellt sei, ist Anspruchsvoraussetzung bzw. Tatbestandsmerkmal der Anspruchsgrundlage. Der Versicherungsnehmer muss die Entschädigung verwenden, um Gebäude in etwa gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen. Ist dies rechtlich nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar, muss das Gebäude in gleicher Art und Zweckbestimmung an anderer Stelle innerhalb der Bundesrepublik Deutschland wiederhergestellt werden. Eine Wiederherstellung liegt erst dann vor, wenn ein dem zerstörten Gebäude nach Lage, Gesamtgröße und Zweck vergleichbares neues Gebäude errichtet wird.
Die Vergleichbarkeit des zerstörten mit dem wiederhergestellten Gebäude erfordert keine 100 %ige Identität. Die strenge Wiederherstellungsklausel enthält auch kein Modernisierungsverbot. Es darf aber keine wesentliche Größenänderung geben. Die Vergleichbarkeit wurde deswegen bei einer Verdopplung des Rauminhalts verneint. Auch eine Erweiterung oder Änderung des Nutzungszwecks steht der Ve...