1. Funktionen
Rz. 174
Wesentlicher Bestandteil jedes Feuerversicherungsvertrages ist die Bestimmung der Versicherungssumme. Die Versicherungssumme hat folgende Funktionen:
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Sie umschreibt die Grenze, bis zu der der Versicherer aus Anlass eines Versicherungsfalles Entschädigungsleistungen zu erbringen hat (§ 50 VVG a.F.); |
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durch einen Vergleich der Versicherungssumme mit dem Versicherungswert wird ermittelt, ob Unterversicherung vorliegt (§ 75 VVG; § 11 Nr. 3 AFB 87/A § 8 Nr. 4 AFB 2010); |
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nach ihr wird die Höhe der Versicherungsprämie bestimmt. |
2. Bestimmung der Versicherungssumme
Rz. 175
Der Versicherungsnehmer, der in aller Regel besser über die zu versichernde Sache informiert ist als der Versicherer, hat grundsätzlich selbst anzugeben, in welchem Umfang und mit welcher Versicherungssumme er ein bestimmtes Risiko abzudecken wünscht.
Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur bestehen beim Abschluss von Gebäude- und Feuerversicherungsverträgen gesteigerte Hinweis- und Beratungspflichten für den Versicherer (siehe auch Rdn 31 ff.).
Rz. 176
Grundvoraussetzung für die dem Versicherungsnehmer obliegende Verantwortung der mitgeteilten Versicherungssumme ist eine sachgerechte Aufklärung durch den Versicherer bzw. seinen Vertreter beim Abschluss des Versicherungsvertrages. Im Einzelnen muss darüber aufgeklärt werden, welche Werte für die Versicherung maßgebend sind und aufgrund welcher zeitlichen Wertbasis diese Werte zugrunde gelegt werden müssen.
Rz. 177
Die Beratung kann auch dahingehen, dem Versicherungsnehmer zu empfehlen, einen Sachverständigen zur Bestimmung der erforderlichen Versicherungssumme hinzuzuziehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Versicherungswert auf der Basis von 1914 zu ermitteln ist. Ein Versicherungsnehmer ist mit der Bestimmung des richtigen Versicherungswertes 1914 in aller Regel überfordert. Zum Versicherungswert 1914 wird auf die Ausführungen zur Gleitenden Neuwertversicherung verwiesen (Wohngebäudeversicherung, siehe § 4 Rdn 137 ff.).
Rz. 178
Eine Verletzung der Hinweis-, Aufklärungs- und Beratungspflicht durch den Versicherer oder den Versicherungsvertreter kann dazu führen, dass der Versicherer gehindert ist, sich auf Unterversicherung zu berufen (siehe Rdn 37 f.).
3. Summenanpassung (Wertzuschlagsklausel)
Rz. 179
Der Versicherungsnehmer trägt das Risiko, dass sich die Wertverhältnisse an den versicherten Sachen während der Vertragslaufzeit zu seinen Ungunsten ändern. Hierfür können sowohl Wertsteigerungen als auch Bestandserhöhungen verantwortlich sein. Es ist Aufgabe des Versicherungsnehmers zu überprüfen, ob die vereinbarte Versicherungssumme noch ausreichend ist oder der Anpassung bedarf. Während der Laufzeit des Versicherungsvertrages trifft den Versicherer in der Regel keine Pflicht zur Überprüfung der Versicherungssumme bzw. der Beratung des Versicherungsnehmers über das Erfordernis einer Erhöhung der Versicherungssumme, es sei denn, ein Anlass für eine Nachfrage oder Beratung wird für ihn erkennbar (§ 6 Abs. 4 VVG).
Rz. 180
In der Industrie-Feuerversicherung wird das Risiko der erforderlichen Anpassung der Versicherungssumme durch so genannte Wertzuschlagsklauseln aufgefangen. Danach gilt als Versicherungssumme eine nach den Werten des Jahres 1970 gebildete Versicherungssumme zuzüglich eines Wertezuschlags für Preissteigerungen. Da sowohl die Versicherungssumme als auch der Wertzuschlag vom Versicherungsnehmer bestimmt werden müssen, empfiehlt es sich dringend, hierfür die Hilfe eines Sachverständigen in Anspruch zu nehmen. Werden sowohl die Grundsumme als auch der Wertzuschlag von einem Sachverständigen ermittelt und dem Versicherer vorgelegt, ist es dem Versicherer verwehrt, sich auf Unterversicherung zu berufen.
4. Leistungsbegrenzung
Rz. 181
Die vertraglich vereinbarte Versicherungssumme umschreibt die maximale Leistungspflicht des Versicherers. Der Versicherer braucht also nicht mehr zu leisten, als mit der Versicherungssumme vereinbart wurde, auch wenn der tatsächliche Schaden größer ist.
Rz. 182
Die vereinbarte Versicherungssumme steht grundsätzlich für jeden Versicherungsfall in vollem Umfang zur Verfügung. Treten also mehrere Versicherungsfälle innerhalb kurzer Zeiträume ein, hat der Versicherer grundsätzlich keine Möglichkeit, seine Leistungspflicht für sämtliche ...