Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 82
Das Prinzip der Nachhaltigkeit, das ursprünglich aus der Forstwirtschaft stammt, ist seit dem Abschlussbericht über "Unsere Gemeinsame Zukunft" der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung von 1987 und der darauffolgenden UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung von 1992 in aller Munde. Als nachhaltig (sustainable) gilt danach "eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen". Das Leitbild der Agenda 2030 umfasst 17 globale Treiber von Armutsbekämpfung über Gesundheitsversorgung, Geschlechtergerechtigkeit, der Verantwortung für umweltfreundliche Produktionsprozesse bis hin zu Maßnahmen des konkreten Klimaschutzes, um diese Ziele zu erreichen.
Das magische Viereck der Kapitalanlage aus Sicherheit, Liquidität, Rendite, und Steuern erhält eine fünfte Komponente Nachhaltigkeit. Die Kapitalanlage wird unter sozialen, ökologischen und unternehmensführender Performance in den Blick genommen. Dafür werden sog ESG-Kriterien (engl. Environmental, Social und Governance) aufgestellt.
Bankenseitig gehörten das Bankhaus j. Safra Sarasin (Schweiz), Bank im Bistum Essen und die GLS Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken eG aus Bochum zu den ersten Instituten, welche sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzten und bis heute dieses Thema kontinuierlich fortschrieben.
Rz. 83
Bei der Auswahl der nachhaltigen Kapitalanlagen, beispielsweise einen Fonds, sollte sich der Testamentsvollstrecker über die Ausschlusskriterien wie Geschäftsfelder (d.s. Rüstungsgüter, fossile Energieträger, Rauschmittel) und Geschäftsverhalten (Produktionsbedingungen, Arbeitsbedingungen, Korruption) Positivkriterien (z.B. Mikrofinanzierung, Wertschema des Unternehmens, best-in-class-Asuwahl) und final zu Dialogstrategien (z.B. Nachhaltigkeitsbericht) informieren. Bei der Angebotsfülle werden zukünftig Klassifikationen eine wertvolle Unterstützung leisten können. So sollen produktunabhängige Definitionen wie ESG oder ESG-Impact als Kategorien Orientierungshilfe geben, inwiefern das Produkt der dezidierten ESG-Strategie folgt und Mindestausschlüsse berücksichtigt.
Rz. 84
In der global vernetzten und hoch arbeitsteiligen Welt mit enormen geopolitischen und wirtschaftlichen Verschränkungen stehen alle Kapitalmarktbeteiligten vor einer Zeitenwende der Anlagestrategie: Rendite muss sich ethisch rechtfertigen.
Merksatz
Im Zuge der Änderungen der delegierten Rechtsakte zur MiFID II insbesondere der delegierten Verordnung (DVO) ((EU) 2021 / 1253) müssen Kunden zukünftig in der Anlagenberatung und Vermögensverwaltung nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen befragt werden. Zusätzlich müssen Banken diese Präferenzen bei ihren Anlageempfehlungen und -entscheidungen berücksichtigen.
Zudem gibt es eine neue, deutlich detailliertere Klassifizierung nachhaltiger Finanzprodukte, die über die bisherige SFDR-Klassifizierung hinausgeht.
Rz. 85
Der Bankenverband hat gemeinsam mit den anderen Verbänden der Deutschen Kreditwirtschaft (DK), dem Deutschen Derivate Verband (DDV) und dem Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) einen gemeinsamen Mindeststandard zur Bestimmung des Zielmarkts nach MiFID II entwickelt. Um den neuen Nachhaltigkeitsanforderungen der MiFID II DVO gerecht zu werden, wurde dieses Konzept nun erweitert.
Geltungsbereich: Die Änderungen betreffen Wertpapierfirmen, die Anlageberatungen bzw. Portfolioverwaltung anbieten.
Status: Der Rechtstext ist im April 2021 erschienen und am 2. August 2021 in Kraft getreten. Er findet zum 2. August 2022 Anwendung.