Rz. 64

Grundsätzlich hat der Antragsgegner (Schuldner) die Kosten zu erstatten, die tatsächlich angefallen sind. Sofern eine Anrechnung zu erfolgen hat, sind also nur die um die anzurechnenden Gebühren verminderten Kosten zu tragen. Da die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr und nicht der Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr erfolgt, ist die volle Geschäftsgebühr, jedoch die geminderte Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 in den Mahnbescheidsantrag aufzunehmen.

 

Rz. 65

Der Antragsgegner kann auf den Mahnbescheid regelmäßig nach § 15a Abs. 2 RVG nicht einwenden, dass im gerichtlichen Verfahren die Geschäftsgebühr um die Hälfte, höchstens aber 0,75 zu kürzen ist. Im Verhältnis zu den Vertragsparteien des Anwaltsvertrages ist der Schuldner nämlich Dritter. Ein Dritter kann sich auf die Anrechnung aber nach § 15a Abs. 2 RVG aber nur berufen, soweit

er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren (die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG bzw. die Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV RVG) erfüllt hat,
wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht,
oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.
 

Rz. 66

Diese Voraussetzungen liegen aber regelmäßig nicht vor. Hätte der Antragsgegner als vorgerichtlicher Schuldner die Geschäftsgebühr ausgeglichen, würde sie nicht im gerichtlichen Mahnverfahren verfolgt. Ein Vollstreckungstitel existiert noch nicht, weil der Mahnbescheid beantragt wird, nicht aber der Vollstreckungsbescheid. Der Schuldner kann also erst gegen die Festsetzung der vollen Verfahrensgebühr im Vollstreckungsbescheid einwenden, dass die Geschäftsgebühr gegen ihn tituliert wird.

 

Rz. 67

 

Hinweis

Entgegen einer immer wieder anzutreffenden Praxis der Amts- und Landgerichte ist die Aussage, ein Rechtsanwalt habe nur Anspruch auf die hälftige Geschäftsgebühr, weshalb die Kosten entsprechend zu kürzen seien, schlicht falsch. Sie verkennt sowohl den Wortlaut der Anrechnungsvorschrift als auch den Inhalt von § 15a Abs. 2 RVG. Den Entscheidungen mangelt es regelmäßig schon daran, dass keine präzise Rechtsprüfung stattfindet und die einschlägigen Rechtsvorschriften, insbesondere § 15a RVG nicht einmal genannt werden. Die eigentliche Prüfung verlagert sich so vom Hauptsacheverfahren auf das Kostenfestsetzungsverfahren. Dort wird geprüft, ob und inwieweit die Voraussetzungen des § 15a RVG vorliegen und deshalb eine Anrechnung zu erfolgen hat.

 

Rz. 68

Problematischer sind die Fälle, in denen wegen eines Bearbeiterwechsels im Abrechnungsverhältnis die Voraussetzungen der Anrechnung nicht vorliegen.

 

Rz. 69

 

Beispiel

Der Großmandant lässt die vorgerichtliche Forderungsbeitreibung zentral durch seine Vertragsanwälte steuern. Wenn der Schuldner auf deren vorgerichtliche Bemühungen nicht zahlt, wird das Verfahren an eine im allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners ansässige regionale RA-Kanzlei abgegeben.

Es fragt, sich, ob der Schuldner die so erhöhten Gebühren erstatten muss. Nach § 254 Abs. 2 BGB sind im Erstattungsverhältnis die Anrechnungsvorschriften auch dann aus dem Blickwinkel des Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht zur Anwendung zu bringen. Allerdings wird häufig vorschnell eine (fiktive) Anrechnung vorgenommen, ohne die Systematik und Voraussetzungen der Anrechnungsvorschriften, der Schadensminderungspflicht und letztlich auch § 15a RVG zu beachten. Eine Anrechnung ist unter dem Blickwinkel der Schadensminderungspflicht also auch hier nur dann vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen des § 15a RVG vollständig gegeben sind. Gerade daran fehlt es aber regelmäßig. Auch die Schadensminderungspflicht ist nur tangiert, wenn aus der Ex-ante-Sicht an einer Titulierung im gerichtlichen Mahnverfahren Zweifel begründet waren. Der RA ist gut beraten, seinen Anspruch hier Schritt für Schritt darzulegen und zu begründen.

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