Rz. 33
Eine Manipulationsmöglichkeit im Rahmen der EuErbVO mag sich zunächst daraus ergeben, dass der für die objektive Bestimmung des Erbstatuts maßgebliche Anknüpfungspunkt des gewöhnlichen Aufenthalts leicht verlegbar erscheint. Dies freilich stellt sich in der Praxis schwieriger dar, als es zunächst den Anschein hat. Geht man mit der wohl überwiegenden Ansicht vom einheitlichen Begriff ab und verlangt man einen "erbrechtsspezifischen gewöhnlichen Aufenthalt", so muss der Erblasser derart intensiv mit der gewünschten Rechtsordnung verbunden sein, dass die Anwendbarkeit dieses Rechts auf die Erbfolge kaum noch als unangemessene Folge erscheinen kann. Stellt sich hingegen heraus, dass er nur scheinbar umgezogen ist (und z.B. die im Wunschstaat belegene Immobilie in Wirklichkeit nur wenige Wochen im Jahr genutzt hat, vielmehr den überwiegenden Teil bei Freunden im Herkunftsstaat gelebt hatte), so wird der Erblasser bei dieser Definition in Wirklichkeit der gewöhnliche Aufenthalt weiterhin im Herkunftsstaat beibehalten haben. Es läge ein Fall der sog. unechten Umgehung vor. Die Umgehung ist dann misslungen.
Rz. 34
Aber auch bei geringeren Anforderungen an die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts im Rahmen der Verwendung eines IPR-einheitlichen Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts dürfte ein Rückgriff auf die Figur der "Rechtsumgehung" entbehrlich sein. Gerade auch auf die Fälle der "dolosen Rechtserschleichung" gemünzt erscheint die Ausweichklausel in Art. 21 Abs. 2 EuErbVO. Ergibt sich ausnahmsweise aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem Staat hatte, dessen Recht nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO anzuwenden wäre, so ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht dieses anderen Staates anzuwenden. Das soll gem. EG 25 EuErbVO gerade für Fälle gelten, in denen der Erblasser erst kurz vor seinem Tod in den Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts umgezogen ist. Im Fall der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts ist der Einwand der exceptio doli also schon auf dieser Ebene denkbar. Freilich ist in diesem Fall zu berücksichtigen, dass bei Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in einen anderen Mitgliedstaat der EuErbVO dieser Staat gem. Art. 4 EuErbVO die ausschließliche Zuständigkeit in der Nachlasssache erhält. Seine Gerichte müssten dann davon überzeugt werden, dass über Art. 21 Abs. 2 EuErbVO die Anwendung des dort geltenden Rechts unangemessen sei und das Recht eines anderen Staates wegen der dort geltenden zwingenden Vorschriften vorzuziehen sei. Das mag in der Praxis erheblichen Überzeugungsaufwand verlangen.