Rz. 41
Erbrecht und Sachenrecht liegen dicht beieinander. Unterliegt die Erbfolge einem anderen Recht als ein zum Nachlass gehörender Gegenstand (z.B. im Fall der Vererbung eines in Deutschland belegenen Grundstücks durch einen mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich verstorbenen Erblasser), so können sich aus dem französischen Erbrecht Folgen ergeben, die das deutsche Sachenrecht so nicht kennt. Beispielsweise könnte die Ehefrau kraft Gesetzes einen Nießbrauch an der Immobilie erwerben (Legalnießbrauch) oder es würde bei Geltung französischen Rechts ein Vermächtnisnehmer, dem das Eigentum an dieser Immobilie im Wege eines Einzelvermächtnisses zugewandt wurde, unmittelbar mit Eintritt des Erbfalls das Eigentum an der Immobilie erwerben (Vindikationslegat). Art. 31 EuErbVO sieht hier nun vor, dass dann, wenn eine Person ein dingliches Recht geltend macht, das ihr nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht zusteht, und das Recht des Mitgliedstaates, in dem das Recht geltend gemacht wird, das betreffende dingliche Recht nicht kennt, dieses Recht – soweit erforderlich und möglich – an das in der Rechtsordnung dieses Mitgliedstaates am ehesten vergleichbare Recht anzupassen sei (Transposition). Bei dieser Form der Anpassung sollen die mit dem dinglichen Recht verfolgten Ziele und Interessen und die mit ihm verbundenen Wirkungen berücksichtigt werden.
Rz. 42
Ebenfalls um eine Anpassung geht es dann, wenn die Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts mit ausländischem Güterrecht zusammenfällt. Die deutsche Rechtsprechung hat in diesem Fall bei gesetzlicher Erbfolge die Erbquoten des ausländischen Rechts an das BGB angepasst, indem das gesetzliche Erbteil der Ehefrau um das pauschale Viertel erhöht und das Erbteil der Kinder bzw. sonstigen Verwandten entsprechend beschnitten wurde. Der EuGH hat dagegen die erbrechtliche Qualifikation verlangt, mit der Folge, dass die gesetzlichen Erbquoten ausschließlich nach dem ausländischen Erbstatut zu ermitteln sind. Da die in § 1371 Abs. 1 BGB vorgesehene erbrechtliche Lösung nun ausgeschlossen ist, geschieht die Anpassung im deutschen Güterrecht richtigerweise wohl derart, dass der Zugewinnausgleich nach der güterrechtlichen Methode erfolgt.
Rz. 43
Beispielsweise könnte auf diese Weise ein nach dem Recht von New York angeordneter testamentary trust in eine Anordnung der Testamentsvollstreckung (Dauervollstreckung) bzw. eine "unselbstständige Stiftung" oder ein gesetzliches life interest der überlebenden Ehefrau an einem Teil des Nachlasses nach englischem Recht in eine Vorerbfolge des Ehegatten und die Nacherbfolge der Kinder umgedeutet werden.
Rz. 44
Beim Legalnießbrauch bzw. Vindikationslegat des französischen Rechts ergibt sich die Besonderheit, dass das deutsche Recht zwar den Nießbrauch und auch die Übertragung von einzelnen Gegenständen aus dem Nachlass an berechtigte Dritte kennt, nicht aber den unmittelbaren Erwerb ipso iure mit Eintritt des Erbfalls. In Deutschland wurde im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der EuErbVO vielfach die Auffassung vertreten, dass nicht nur die unbekannte Art des dinglichen Rechts eine Anpassung nach Art. 31 EuErbVO eröffne, sondern auch die dem Sachenrecht unbekannte Art und Weise der Entstehung dieser Rechte. Aufgrund der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Kubicka, wonach die unmittelbaren dinglichen Wirkungen eines nach polnischem Erbstatut angeordneten "Vindikationslegats" sich auch auf eine in Frankfurt/Oder belegene Eigentumswohnung erstrecken, wird man allerdings annehmen müssen, dass auch die dinglichen Wirkungen anderer erbrechtlicher Einzelübertragungen hinsichtlich in Deutschland belegener Vermögensgegenstände von der deutschen lex rei sitae zu akzeptieren sind.