Sebastian Herrler, Susanne Herrler
Rz. 93
(1) Den Minderheitsgesellschaftern der übertragenden österreichischen GmbH steht grundsätzlich ein Anspruch auf Überprüfung des Umtauschverhältnisses zu (§§ 225c ff. österr. AktG i.V.m. § 96 Abs. 2 österr. GmbHG, § 3 Abs. 2 EU-VerschG). Die Anfechtung des Verschmelzungsbeschlusses wegen Mängeln der Festlegung des Umtauschverhältnisses ist allerdings – wie im umgekehrten Fall – nur dann nach § 225b österr. AktG i.V.m. § 12 Abs. 1 EU-VerschG ausgeschlossen, wenn entweder die beteiligten ausländischen Rechtsordnungen im konkreten Fall ebenfalls ein solches Überprüfungsverfahren zur Verfügung stellen oder die Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft die Anwendung dieses Verfahrens ausdrücklich akzeptieren. Da den Minderheitsgesellschaftern der aufnehmenden deutschen GmbH – ebenso wie bei einer rein innerstaatlichen Verschmelzung – kein Spruchverfahren zur Verfügung steht (vgl. Rdn 32), kommt das außerstreitige Überprüfungsverfahren nach §§ 225c ff. österr. AktG mit dem korrespondierenden Anfechtungsausschluss nach § 225b österr. AktG nur in Betracht, wenn sich die Anteilsinhaber der deutschen GmbH im Verschmelzungsbeschluss mit der Durchführung dieses Verfahrens einverstanden erklären. Fehlt es an der erforderlichen "Unterwerfungserklärung" i.S.v. § 12 Abs. 1 Nr. 2 EU-VerschG, verbleibt den Minderheitsgesellschaftern der aufnehmenden Gesellschaft nur das allgemeine Schutzinstrumentarium der Anfechtungsklage gegen den Zustimmungsbeschluss nach § 13 i.V.m. § 122a Abs. 2 UmwG. Auch die (Minderheits-)Gesellschafter der österreichischen GmbH sind bei vermeintlich zu niedrig bemessenem Umtauschverhältnis auf die Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses verwiesen.
Rz. 94
(2) Die Minderheitsgesellschafter der übertragenden österreichischen GmbH, die gegen den Verschmelzungsbeschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt haben, können nach § 11 Abs. 2 EU-VerschG einen Antrag auf Überprüfung und Festlegung einer höheren Barabfindung stellen. Soweit die Überprüfungsmöglichkeit reicht, ist eine Anfechtungsklage ausgeschlossen; sie kann nicht auf ein unangemessen niedriges Barabfindungsangebot oder Fehler bei dessen Erläuterung gestützt werden (§ 11 Abs. 1 EU-VerschG). Im deutschen Recht fehlt eine Regelung, wonach die Minderheitsgesellschafter der übernehmenden GmbH die Barabfindung in einem außerstreitigen Verfahren überprüfen lassen könnten. Ein solches ist allein für die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers vorgesehen. Unbeschadet dessen soll der Anfechtungsausschluss für Minderheitsgesellschafter der übertragenden österreichischen GmbH nach § 11 Abs. 1 EU-VerschG gleichwohl eingreifen. Anders als bei der Überprüfung des Umtauschverhältnisses und entgegen dem Wortlaut von Art. 127 Abs. 3 GesRL soll es nicht darauf ankommen, ob auch die ausländische Rechtsordnung einen vergleichbaren Mechanismus vorsieht. Eine "Unterwerfungserklärung" der Anteilsinhaber der deutschen übernehmenden GmbH, wonach die Minderheitsgesellschafter auf die Anfechtungsklage verwiesen sind, ist daher nicht erforderlich. Der österreichische Gesetzgeber beruft sich auf eine teleologische Reduktion der Richtlinienvorgaben, da die Rechte der ausländischen Aktionäre durch Festlegung einer höheren Barabfindung nicht in gleicher Weise berührt würden wie bei einer Veränderung des Umtauschverhältnisses. Die Literatur teilt diese Auffassung überwiegend nicht. Da eine richtlinienkonforme Auslegung wegen des entgegenstehenden Willens des österreichischen Gesetzgebers bis zur Klärung durch den EuGH ausgeschlossen ist, sind die Vorgaben von § 11 EU-VerschG einstweilen für die Praxis maßgeblich.