Sebastian Herrler, Susanne Herrler
Rz. 62
Ebenfalls spätestens einen Monat vor der Gesellschafterversammlung, die über die Verschmelzung beschließt, muss gem. § 122f UmwG der infolge der Verschmelzungsprüfung erstellte Prüfungsbericht vorliegen. Möglich ist eine gemeinsame Verschmelzungsprüfung für die beteiligten Gesellschaften (§ 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 122f Satz 1 UmwG sowie § 7 Abs. 2 EU-VerschG; vgl. Rdn 20 f.). In diesem Fall richtet sich das Antrags- und Bestellungsverfahren nach dem Recht des gewählten Staates. Umstritten ist, ob das Recht dieses Staates ebenfalls für den Gegenstand der Prüfung und den Inhalt des Prüfungsberichts maßgeblich ist. Insoweit dürften die Anforderungen des deutschen und des österreichischen Rechts kumulativ gelten, so dass sich die jeweils strengeren Erfordernisse durchsetzen (str., vgl. Rdn 20 ff.).
Rz. 63
Der Prüfungsbericht ist nach deutschem Recht spätestens einen Monat vor der Beschlussfassung zu erstatten (§ 122f Satz 2 UmwG) und den Gesellschaftern spätestens mit der Einberufung der Gesellschafterversammlung zu übersenden (§ 47 i.V.m. § 122a Abs. 2 UmwG). Nach österreichischem Recht muss er den Anteilsinhabern spätestens einen Monat vor der Gesellschafterversammlung zugesandt werden (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 EU-VerschG, § 97 Abs. 1 österr. GmbHG). Zur Möglichkeit eines Verzichts auf die Fristwahrung vgl. Rdn 47.
aa) Erforderlichkeit einer Verschmelzungsprüfung
Rz. 64
Die Verschmelzungsprüfung und der Prüfungsbericht sind grundsätzlich zwingend, ohne dass ein Verlangen der Anteilsinhaber gem. § 48 Satz 1 UmwG bzw. § 100 Abs. 2 Satz 1 österr. GmbHG erforderlich ist (vgl. § 122f Satz 1 Hs. 2 UmwG bzw. § 7 Abs. 1 EU-VerschG). Einer Verschmelzungsprüfung bedarf es nicht, wenn alle Gesellschafter auf die Prüfung verzichten (§ 8 Abs. 3, § 9 Abs. 2, § 12 Abs. 2 i.V.m. § 122f Satz 1 UmwG bzw. § 7 Abs. 1 EU-VerschG). Dabei ist der Verzicht nach den Vorgaben des UmwG von allen Anteilsinhabern aller beteiligter Gesellschaften zu erklären. Nach österreichischem Recht kann er schriftlich oder in der Niederschrift zur Gesellschafterversammlung erfolgen (§ 7 Abs. 1 EU-VerschG); nach deutschem Recht sind die Verzichtserklärungen notariell zu beurkunden (§ 8 Abs. 3 Satz 2 UmwG).
Rz. 65
Eine weitere Ausnahme gilt für die Verschmelzung einer 100 %igen Tochtergesellschaft auf ihre Mutter (§ 9 Abs. 2 UmwG i.V.m. § 122f Satz 1 Hs. 1 bzw. § 232 Abs. 1 österr. AktG, § 96 Abs. 2 österr. GmbHG i.V.m. § 3 Abs. 2 EU-VerschG). Zwar ist lediglich die Verzichtsmöglichkeit in § 7 Abs. 1 EU-VerschG ausdrücklich genannt, so dass die Prüfung im Rahmen einer Konzernverschmelzung im Umkehrschluss erforderlich sein könnte. Wenn man auch bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung beide Fälle hätte erfassen wollen, hätte es näher gelegen, allgemein auf § 232 österr. AktG zu verweisen, da dort sowohl die Verzichtsmöglichkeit (Abs. 2) als auch die Ausnahme für die Tochter-Mutter-Gesellschaft (Abs. 1) niedergelegt ist. In Anbetracht der klaren Regel von Art. 132 GesRL (vormals Art. 15 VerschmelzungsRL) wird man aber nicht von einer abschließenden Normierung der Entbehrlichkeit der Verschmelzungsprüfung in § 7 EU-VerschG ausgehen können. Vielmehr ist nach h.M. die Verschmelzungsprüfung über die allgemeine Verweisung des § 3 Abs. 2 EU-VerschG auch bei einer Tochter-Mutter-Verschmelzung entbehrlich. Die unklare Gesetzesfassung dürfte dadurch zu erklären sein, dass bei nationalen Verschmelzungen von Gesellschaften mbH in Österreich die Prüfung überhaupt nur dann erforderlich ist, wenn ein Gesellschafter dies verlangt (§ 100 Abs. 2 österr. GmbHG). § 7 Abs. 1 EU-VerschG betont daher das umgekehrte Regel-Ausnahme-Verhältnis, ohne dass damit Konsequenzen für die Behandlung der Tochter-Mutter-Verschmelzung verbunden wären.