Sebastian Herrler, Susanne Herrler
1. Strukturprinzipien und Grundsätze des jeweiligen Umwandlungsrechts
a) Deutschland
Rz. 36
Das deutsche Umwandlungsgesetz ist durch den Numerus clausus der Umwandlungsarten geprägt (vgl. § 1 Abs. 2 UmwG). Weitere Strukturmerkmale einer Verschmelzung sind der automatische Übergang des gesamten Vermögens des übertragenden Rechtsträgers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den übernehmenden Rechtsträger (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) sowie die liquidationslose Vollbeendigung des übertragenden Rechtsträgers (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Schließlich sind den Anteilsinhabern der übertragenden Gesellschaft Anteile an der übernehmenden Gesellschaft zu gewähren (Anteilsgewährpflicht, § 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG). Diese Prinzipen gelten in gleicher Weise für eine Verschmelzung, bei der mindestens eine der beteiligten Gesellschaften dem Recht eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum unterliegt (Legaldefinition der grenzüberschreitenden Verschmelzung, § 122a Abs. 1 UmwG). Denn in §§ 122a ff. UmwG wurden lediglich die sich aus den Anforderungen der Verschmelzungsrichtlinie ergebenden Besonderheiten grenzüberschreitender Sachverhalte geregelt, während im Übrigen gem. § 122a Abs. 2 UmwG die allgemeinen, für innerstaatliche Verschmelzungen geltenden Normen Anwendung finden.
b) Österreich
Rz. 37
Auch in Österreich führt die Verschmelzung im Grundsatz zur Universalsukzession (§ 225a Abs. 3 Nr. 1 österr. AktG i.V.m. § 96 Abs. 2 österr. GmbHG, § 3 Abs. 2 EU-VerschG) und die übertragende Gesellschaft erlischt ohne Liquidation (§ 225a Abs. 3 Nr. 2 österr. AktG). Die Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft werden grundsätzlich Anteilsinhaber der übernehmenden Gesellschaft (§ 225a Abs. 3 Nr. 3 österr. AktG), soweit die Anteilsgewähr nicht nach § 224 österr. AktG unterbleibt. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift darf die übernehmende Gesellschaft keine Geschäftsanteile gewähren, soweit sie Anteile an der übertragenden Gesellschaft oder Letztere eigene Anteile besitzt. Sie kann nach Abs. 2 zudem von der Gewährung von Anteilen absehen, wenn die Gesellschafter an übernehmender und übertragender Gesellschaft in gleichem Umfang beteiligt sind oder auf die Anteilsgewährung verzichten.
Rz. 38
In Österreich ist das Umwandlungsrecht – anders als in Deutschland – nicht in einem für alle verschmelzungsfähigen Rechtsträger geltenden Umwandlungsgesetz zusammengefasst, sondern jeweils in einem eigenen Abschnitt in dem für die jeweilige Rechtsform geltenden Gesetz niedergelegt. Die Vorschriften für die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften finden sich in §§ 219–233 österr. AktG. Für die GmbH gelten §§ 96–101 österr. GmbHG, wobei gem. § 96 Abs. 2 österr. GmbHG ergänzend §§ 220–233 österr. AktG Anwendung finden. Die Besonderheiten grenzüberschreitender Verschmelzungen sind in dem EU-Verschmelzungsgesetz (EU-VerschG) statuiert. Subsidiär gelten wiederum die allgemeinen Vorschriften, d.h. für die GmbH vorrangig §§ 96–101 österr. GmbHG, ferner §§ 220–233 österr. AktG (vgl. § 3 Abs. 2 EU-VerschG).
2. Ablauf der Herausverschmelzung einer deutschen auf eine österreichische GmbH
Rz. 39
Jede Verschmelzung setzt voraus, dass es sich bei allen beteiligten Gesellschaften um verschmelzungsfähige Rechtsträger handelt. Die GmbH ist sowohl nach deutschem (§ 122b UmwG) als auch nach österreichischem Recht (§ 3 Abs. 1 EU-VerschG) ein verschmelzungsfähiger Rechtsträger. Sowohl §§ 122a ff. UmwG als auch das österreichische Verschmelzungsgesetz (EU-VerschG) regeln den Ablauf einer grenzüberschreitenden Verschmelzung im Wesentlichen in chronologischer Reihenfolge. Möglich ist eine Verschmelzung zur Aufnahme oder zur Neugründung, § 122b Abs. 1 UmwG bzw. § 1 Abs. 4 EU-VerschG, § 96 Abs. 1 österr. GmbHG (vgl. Art. 121 Nr. 2 GesRL).
Rz. 40
Das im Folgenden näher zu erörternde Verschmelzungsverfahren stellt sich im Regelfall wie folgt dar: Zunächst müssen die Vertretungsorgane der beteiligten Gesellschaften einen Verschmelzungsplan aufstellen und bekanntmachen sowie die Auswirkungen der Verschmelzung auf Arbeitnehmer und Gläubiger in einem Verschmelzungsbericht erläutern. Anschließend hat eine Verschmelzungsprüfung zu erfolgen, über die ein Verschmelzungsprüfungsbericht zu erstellen ist. Erforderlich ist ferner ein Zustimmungsbeschluss der Anteilsinhaber der beteiligten Gesellschaften. Die Verschmelzungsbescheinigung ist bei der für die übertragende Gesellschaft zuständigen Stelle zu erholen; die Verschmelzung ist zur Eintragung in das Handelsregister der beteiligten Gesellschaften anzumelden. Die Eintragung erfolgt zunächst im Register der übertragenden, danach – mit konstitutiver Wirkung – im Register der übernehmenden Gesellschaft.