Rz. 278

Der BGH[408] hat zwei Kriterien[409] für die analoge Anwendbarkeit des Ausgleichsanspruchs gem. § 89b HGB[410] (vgl. Rdn 145 ff., 157 ff.) aufgestellt: Der VH muss wie ein HV in das Absatzsystem des Herstellers eingebunden sein und diesem seine Kundendaten überlassen.[411]

[408] BGH, BB 1959, 7; DB 1981, 1819; BB 1982, 2067; BB 1983, 997; BB 1984, 167; NJW-RR 1988, 42; BB 1992, 596; BB 1993, 2399; BB 1993, 2401; DB 1994, 241; BB 1996, 1459; BB 1996, 2265; BB 1997, 222; BB 1997, 852; BB 2000, 60; VersR 2000, 487; BB 2010, 386, 600; BGH NJW 2015, 1300; BGH, NJW 2011, 848 Rn 21.
[409] Zum Ausgleichsanspruch in internationalen Verträgen vgl. Peschke, ZVertriebsR 2016, 144.
[410] Dieser Anspruch ist insb. zur Höhe heftig umstritten; aus Platzgründen kann er nur kursorisch behandelt werden. Auf weiterführende Fundstellen wird verwiesen. Zur sonstigen Abwicklung des Vertragshändlervertrages vgl. Genzow, Vertragshändlervertrag, Rn 141 ff., S. 144 ff.; Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, Vertragshändlerverträge, Rn 115 ff.; Giesler, Praxis des Vertriebsrechts, § 3 Rn 400 ff.
[411] Im einzelnen Wauschkuhn, ZVertriebsR 2016, 79.

a) Eingliederung in das Absatzsystem

 

Rz. 279

Für die Beurteilung dieser Voraussetzung kommt es auf eine Gesamtbetrachtung der dem VH auferlegten Pflichten an.[412] Sie müssen in erheblichem Umfang denjenigen eines HV entsprechen (s.o. Rdn 38 ff.) und auf jeden Fall über eine bloße Käufer-Verkäufer-Beziehung hinausgehen.[413]

 

Hinweis

Die vom Händler übernommenen Pflichten sind im Einzelnen und sehr detailliert darzustellen und zu begründen. Dabei kommt es auf diejenigen an, die typisch für HV sind.

Indizielle Bedeutung kann insbesondere die Vereinbarung eines Vertragsgebietes, einer Absatzförderungs- und Interessenwahrungspflicht des VH sowie einer Informations- und Berichtspflicht des VH haben.

[412] BGH, NJW 1983, 2877; NJW 2000, 1413.
[413] BGH, NJW 1983, 2877, 2878; BB 1996, 1458.

b) Überlassung des Kundenstamms

 

Rz. 280

Wie der HV typischerweise dem Hersteller seine Kundenadressen liefert (s.o. Rdn 39 ff., 60 ff.) so wird § 89b HGB auf den VH nur dann analog angewendet, wenn er vertraglich[414] verpflichtet ist, dem Hersteller, zumindest am Ende des Vertrages, seine Kundendaten zu überlassen. Diese Pflicht kann sich, wenn nicht ausdrücklich, so doch aus dem Gesamtbild des Vertrages ergeben,[415] oder aus der faktischen Durchführung des Vertrages.[416] Nach Auffassung des LG Nürnberg-Fürth[417] kommt es allein darauf an, ob durch das Tätigwerden des VHs des Unternehmers diesem nach Beendigung des VHVertrages ein Vorteil entstanden ist.[418]

 

Rz. 281

Ob der Hersteller die Daten nach Beendigung des Vertrages tatsächlich nutzt und zu welchen Zwecken, ist unerheblich; ihm muss nur die Möglichkeit der Nutzung verschafft werden.[419] Ist der VH vertraglich verpflichtet, die Adressen einer Marketinggesellschaft zu überlassen und ist diese verpflichtet, sie in keinem Fall dem Hersteller zu überlassen, ist § 89b HGB analog nicht anwendbar.[420]

[415] Martinek/Semler/Flohr, Handbuch des Vertriebsrechts, § 20 Rn 16.
[416] BGH, ZIP 1985, 798.
[417] LG Nürnberg-Fürth, ZVertriebsR 2019, 50.
[418] So auch Meyer, ZVertriebsR 2019, 99, der darauf hinweist, dass der BGH in seinem Urt. v. 21.7.2016 (ZVertriebsR 2019, 103) ausführt, dass nicht unbedingt eine vertragliche Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstammes zu fordern ist.
[419] BGH, NJW-RR 1993, 678; NJW 1994, 657; NJW 2000, 1413.
[420] BGH, BB 1996, 1459.

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