Rz. 1

§ 84 Abs. 1 HGB definiert, was unter dem Begriff des Handelsvertreters (künftig: HV) zu verstehen ist. Er ist eine Vertriebsperson, die "als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen". Entscheidend für die Anwendbarkeit der Vorschriften der §§ 84 ff. HGB sind dementsprechend folgende Merkmale:

Der Absatzmittler muss

ein selbstständiger Gewerbetreibender sein,
ständig mit einer Vermittlungs- oder Abschlusstätigkeit betraut sein,
eine Tätigkeit für einen anderen Unternehmer ausüben,
die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften im Namen des vertretenen Unternehmers vornehmen.
Der EuGH hat in Auslegung der HVRichtlinie vom 18.12.1986[1] ergänzend entschieden, dass der HV stationär (insb. beim Unternehmer), ambulant (bei den Kunden) oder online tätig sein kann, ggf. also auch als Online-Plattform.[2] Des Weiteren hat der EuGH entschieden, dass der HV über die eigentliche Vermittlungs- oder Abschlusstätigkeit hinaus auch noch andere Aufgaben für den Unternehmer wahrnehmen kann, wobei letztere nicht Nebentätigkeiten sein müssen.[3] Damit hat der EuGH bestätigt, was nach Meyer bereits von den deutschen Gerichten vertreten worden ist.[4]

Im Einzelnen:

[1] Dazu ausführlich Emde/Valdini, ZVertriebsR 2016, 353; dies., ZVertriebsR 2017, 3.
[2] EuGH, 21.11.2018 – C 452/17, ZVertriebsR 2019, 20 Rohrßen, ZVertriebsR 2019, 153.
[4] Meyer, ZVertriebsR 2019, 99, 101.

a) Selbstständiger Gewerbetreibender

 

Rz. 2

§ 84 Abs. 1 Satz 1 HGB sieht vor, dass der HV[5] stets selbstständiger Gewerbetreibender sein muss. Er muss nicht zwingend Kaufmann sein; diese Eigenschaft besitzt er nur, wenn er ein Handelsgewerbe i.S.d. § 1 Abs. 2 HGB betreibt oder in das Handelsregister eingetragen ist (§§ 1 ff. HGB).

 

Rz. 3

Nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ist selbstständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Nach der Rspr. des BVerfG[6] liegt eine freie Gestaltung der Tätigkeit vor, wenn der Absatzmittler ohne konkrete Vorgaben des Unternehmers bzgl. seines Arbeitsablaufs, seiner Arbeitszeit bzw. seines Arbeitspensums tätig wird. Mit diesen Merkmalen erfolgt in der Praxis die Abgrenzung des Selbstständigen zum Arbeitnehmer, für den die Schutzvorschriften des Arbeitsrechts gelten.

 

Rz. 4

Für die Abgrenzung einer selbstständigen von einer unselbstständigen Tätigkeit kommt es entscheidend auf das Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung und tatsächlichen Handhabung an.[7] Maßgebliche Kriterien sind v.a. das Vorliegen eines eigenen Unternehmens des Absatzmittlers, der Ort, die Zeit sowie die Art und Weise der Tätigkeit, das eigene Tragen der Kosten und Risiken der Geschäftstätigkeit (Unternehmerrisiko), die Art und Weise der Vergütung, die Vertretung mehrerer Unternehmen sowie das Vorhalten von selbst ausgewähltem Personal.

 

Rz. 5

Für eine unselbstständige Tätigkeit sprechen spiegelbildlich dazu die Einflussnahme des Unternehmers auf den Tätigkeitsort, die Arbeitszeit und den täglichen Arbeitsablauf der Vertriebsperson.[8] Ferner kann auch die Genehmigungspflicht für jede Nebentätigkeit ein Indiz für die fehlende Selbstständigkeit darstellen.[9]

 

Rz. 6

Die Erteilung von Weisungen des Unternehmers an den Vertriebsmittler spricht nicht notwendigerweise für eine Abhängigkeit. Denn Weisungen des Unternehmers sind für ein Handelsvertreterverhältnis charakteristisch: Der Unternehmer bestimmt seine Vertriebspolitik selbst und macht in diesem Zusammenhang seinen Vertriebspersonen zahlreiche Vorgaben.

[5] Im Folgenden werden auch die Begriffe Absatzmittler und Vertriebsmittler statt des Wortes Handelsvertreter verwendet.
[7] BVerfG, NJW 1978, 365; BGH, BB 1982, 1758; WM 1991, 1474; NJW 1998, 2057; NJW 1999, 648; BAG, BB 2000, 826; Hopt, HGB, § 84 Rn 36 (Schwerpunkt-Theorie); vgl. zur Abgrenzung auch Röhricht/v. Westphalen/Haas, HGB, § 84 Rn 24 ff.; Emde, BB 2016, 2819.
[9] So Hopt, HGB, § 84 Rn 36; a.A. BAG, BB 2000, 1469.

b) Ständige Betrauung

 

Rz. 7

Der HV muss mit einer Vermittlungs- bzw. Abschlusstätigkeit ständig betraut sein. Darunter ist zu verstehen, dass er gem. §§ 611 ff., 675 Abs. 1 BGB beauftragt wurde, den Abschluss bzw. die Vermittlung von Geschäften für den Unternehmer durchzuführen und der Unternehmer dem HV die Wahrnehmung seiner Interessen anvertraut. Dies geschieht regelmäßig durch schriftlichen Vertrag, ist jedoch nicht zwingend.

 

Rz. 8

Der Vertrag muss so ausgestaltet sein, dass der Absatzmittler ständig um Geschäfte bemüht ist.[10] Unter dem Begriff "ständig" ist zu verstehen, dass die Tätigkeit des Absatzmittlers auf gewisse Zeit erfolgen muss. Nicht erforderlich ist dagegen eine langfristige bzw. auf unbestimmte Zeit angelegte Betrauung. In dem gewissen Zeitraum muss der HV sich um eine unbestimmte Vielzahl von Vermittlungen oder Abschlüssen von Geschäften bemühen.

[10] BGHZ 59, 87, 90; BGH, DB 1986, 1117; BGH, NJW 2015,...

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