Dr. Susanne Creutzig, Prof. Dr. Jürgen Creutzig
Rz. 118
Die ordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrages hat unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen zu erfolgen. Als einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung wird die Kündigung erst mit Zugang beim Empfänger wirksam.
Hinweis
Es empfiehlt sich in der Praxis, die Kündigungserklärung zu Beweiszwecken schriftlich zu verfassen und wenigstens mittels Einschreiben/Rückschein zu übersenden. Da dies jedoch lediglich den Zugang des Briefumschlags beweist, nicht aber dessen Inhalt, sollten Kündigungserklärungen durch Boten oder Gerichtsvollzieher in den Briefumschlag eingelegt und zugestellt werden. Inhaltlich sollte zumindest die Forderung nach einer Entschädigung für die Vertragsbeendigung bzw. nach einer Kündigungsentschädigung erkennbar sein.
Rz. 119
§ 89 Abs. 1 HGB ordnet gesetzliche Kündigungsfristen für Verträge an, die auf unbestimmte Zeit geschlossen wurden. Dabei handelt es sich um gestaffelte Mindestkündigungsfristen, die nicht unterschritten werden dürfen: Nach § 89 Abs. 1 HGB beträgt die Kündigungsfrist bei einem Vertragsverhältnis auf unbestimmte Dauer im ersten Jahr der Vertragsdauer einen Monat, im zweiten Jahr 2 Monate und im dritten bis fünften Jahr 3 Monate. Nach einer Vertragsdauer von 5 Jahren kann das Vertragsverhältnis mit einer Frist von 6 Monaten gekündigt werden. Zu beachten ist, dass die Kündigung jeweils nur zum Schluss eines Kalendermonats zulässig ist, sofern keine abweichende Vereinbarung zwischen den Parteien getroffen wurde.
Rz. 120
Eine Teilkündigung des Handelsvertretervertrages ist grds. unzulässig. Statt der unzulässigen Teilkündigung kann eine Änderungskündigung, also eine ordentliche Kündigung mit dem Angebot, den Vertrag zu geänderten Bedingungen fortzusetzen, in Betracht kommen bzw. auch die Ausübung eines Änderungsvorbehaltes, sofern dieser zulässig ist (z.B. hinsichtlich des Vertragsgebietes bzw. der Vertragsprodukte; vgl. dazu auch unten zum Vertragshändlerrecht Rdn 263).
Rz. 121
Es ist umstritten, wann ein Vertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt, wann also die Vorschrift des § 89 HGB auf einen Vertrag Anwendung findet. Sofern ein Vertrag nur für einen bestimmten Zeitraum läuft und er sich nach Ablauf des Zeitraums bei Unterbleiben einer Kündigung um eine identische Zeitspanne verlängern soll, liegt nach Auffassung des BGH ein Zeitvertrag vor; § 89 HGB findet in diesem Fall keine unmittelbare Anwendung, jedoch kann die Vorschrift analog angewendet werden.
Rz. 122
Etwas anderes gilt nach allgemeiner Auffassung bei Kettenverträgen, also solchen Vereinbarungen, die zwar jeweils nur für eine bestimmte Laufzeit fest abgeschlossen werden, aber die Regelung enthalten, dass im unmittelbaren Anschluss an das Vertragsende ein neues Handelsvertreterverhältnis beginnen soll; diese Verträge werden als auf unbestimmte Zeit geschlossen angesehen.
Rz. 123
Sofern in einem Handelsvertretervertrag eine Altersgrenze des HV festgelegt ist, zu deren Zeitpunkt der Vertrag automatisch enden soll, wird angenommen, dass es sich um einen Vertrag mit unbestimmter Laufzeit handelt.
Rz. 124
Die Kündigung hat die Wirkung, dass während des Ablaufs der Kündigungsfrist das Vertragsverhältnis zwischen dem HV und dem Unternehmer weiter besteht. Der Unternehmer darf die vom HV vermittelten Geschäfte nicht vor Vertragsbeendigung ablehnen und einen anderen HV zur Bearbeitung des Kundenbezirks des Gekündigten bestellen. Eine Freistellung des HV, wie sie in der Praxis häufig gegen einen Ausgleich des Verdienstausfalls erfolgt, ist demgegenüber zulässig. Sie folgt daraus, dass mitunter die Motivation des Vertriebsmittlers nach Ausspruch einer ordentlichen Kündigung abnimmt und dies Auswirkungen auf den Vertrieb des Unternehmers haben kann. Sie wird aber häufig auch vereinbart, weil der Unternehmer ein Interesse daran hat, seinen Vertrieb bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist neu auszurichten bzw. er fürchtet, dass der HV die von ihm geworbenen Kunden zu Konkurrenzunternehmen mitnimmt. In jedem Fall verliert der HV durch die Freistellung nicht den Anspruch auf die ihm geschuldete vertragsmäßige Vergütung.
Rz. 125
Hängt die Zahlung eines zweckgebundenen Bürokostenzuschusses an den HV davon ab, dass der Vertrag im Zahlungszeitpunkt ungekündigt besteht, stellt diese Regelung bei mehrjähriger Kündigungsfrist für den HV eine Erschwernis der Kündigungsmöglichkeit dar. Sie verstößt gegen den zwingenden § 89 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. HGB und ist gem. § 134 BGB unwirksam.