Dr. Susanne Creutzig, Prof. Dr. Jürgen Creutzig
a) Form der Kündigungserklärung
Rz. 261
Kündigungen, die sich auf den gesamten Vertrag erstrecken, sind grds. formlos wirksam, es sei denn, in den Verträgen ist Schriftform vereinbart. Das Erfordernis der Schriftform kann aber stillschweigend aufgegeben werden. Kündigt ein Vertreter des Vertragspartners, ist § 174 BGB zu beachten.
Rz. 262
Aufgrund der gesteigerten Fürsorge- und Treuepflicht des Herstellers kann der Prinzipal nach einer Mindermeinung den Vertrag nur kündigen, wenn sachlich gerechtfertigte Gründe vorliegen. Der BGH hat in einem Fall das Vorliegen solcher Gründe verlangt, die das Interesse des VH an der Fortsetzung des Vertrages überwiegen müssten; anderenfalls sei die Kündigung nach § 20 GWB ausgeschlossen.
Viele Händlerverträge enthalten noch die Klausel, wonach – entsprechend des Art. 3 Nr. 5 der seinerzeitigen Kfz-GVO 1400/2002 – die ordentliche Kündigung eine Begründung enthalten muss, die objektiv und transparent ist. Damit soll sichergestellt werden, dass die Kündigung nicht wegen Verhaltensweisen des VH erfolgt, die nach der Kfz-GVO nicht eingeschränkt werden dürfen. Eine pauschale Begründung, die Verträge sollten europaweit vereinheitlicht werden, ist zumindest gegenüber einem VH, mit dem ein neuer vereinheitlichter Vertrag nicht mehr abgeschlossen werden soll, nicht transparent.
Hinweis
Aus Gründen der Beweissicherung empfiehlt sich, Kündigungserklärungen nicht nur schriftlich, sondern durch Boten oder Gerichtsvollzieher in den Briefumschlag einlegen und zustellen zu lassen. Der häufig empfohlene Versand per Einschreiben mit Rückschein reicht nicht aus: Er beweist nur, dass ein Umschlag zugegangen ist, nicht aber dessen Inhalt (vgl. dazu oben unter Rdn 118).
b) Änderungskündigung
Rz. 263
Sie stellt eine ordentliche Kündigung verbunden mit dem Angebot auf Abschluss eines geänderten Vertrages dar. Sie erstreckt sich, wie die Kündigung selbst, auf den gesamten Vertrag (eine Teilkündigung ist grds. unwirksam, vgl. oben Rdn 120 und Rdn 261) oder auf einen Teil desselben.
c) Kündigungsfrist
Rz. 264
Ausdrückliche gesetzliche Regelungen zur Kündigungsfrist fehlen. Bei einer Eingliederung des VH in das Vertriebssystem des Herstellers, die derjenigen eines HV vergleichbar ist, findet – mit Ausnahme der Kfz-Branche, dazu nachfolgend Rdn 265 – § 89 Abs. 1 HGB analoge Anwendung. Die Kündigung hat jeweils zum Ende eines Monats zu erfolgen. Die Länge der Frist richtet sich nach der Laufzeit des Vertrages: Im ersten Jahr beträgt sie einen Monat, ab dem fünften Jahr 6 Monate. Ist der Händler nicht dergestalt eingegliedert, soll eine Kündigungsfrist von einem Jahr bzw. 2 Jahren mindestens eingehalten werden müssen. Das unterschiedliche Ergebnis ist wirtschaftlich nicht verständlich. Eine Verlängerung im Fall des § 89 HGB analog soll v.a. in Betracht kommen, wenn der VH erhebliche Investitionen getätigt hat. Eine Entscheidung des BGH liegt, soweit ersichtlich, bisher nur für das Tankstellengewerbe vor.
Rz. 265
I.d.R. ist die Kündigungsfrist im Vertrag vereinbart. Für die Kfz-Branche hat sich ein Handelsbrauch herausgebildet: Die ordentliche Kündigungsfrist beträgt in der Kfz-Branche in Anlehnung an die seinerzeitige Regelung in der Kfz-GVO 1400/2002 2 Jahre. Sie kann auf mindestens ein Jahr verkürzt werden, wenn der Hersteller aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder besonderer Absprache bei Beendigung des Vertrages eine angemessene Entschädigung zu zahlen hat oder wenn sich für ihn die Notwendigkeit ergibt, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren.
Rz. 266
Der Handelsbrauch gilt EU-weit aufgrund des Code of Good Practice, den der europäische Herstellerverband ACEA in Brüssel 2010 nach Auslaufen der Kfz-GVO 1400/2002 verabschiedet hat. Die seinerzeitigen ACEA-Mitglieder waren BMW, DAF Trucks, Daimler, FIAT, Ford of Europe, General Motors Europe, Jaguar Land Rover, MAN, Porsche, PSA Peugeot Citroen, Renault, Scania, Toyota Motor Europe, Volkswagen und Volvo“.
Rz. 267
Alle vorgenannten, teils ehemaligen, aber auch neuenACEA-Mitglieder haben die vorgenannten Bestimmungen in ihre Händler- und Werkstattverträge EU-weit aufgenommen. Der Code stellt nach seinem Wortlaut nicht etwa nur eine unverbindliche Absichtserklärung dar. Er ist vielmehr – wie es auch am Ende heißt – eine rechtliche Verpflichtung. Auf sie kann sich jeder autorisierte Händler und Werkstatt der jeweiligen ACEA-Mitglieder berufen.
Hinweis
Auch in anderen Fällen als denjenigen des Kfz-Vertriebs sollten Kündigungsfristen ausdrücklich vereinbart werden.