Dr. Susanne Creutzig, Prof. Dr. Jürgen Creutzig
Rz. 210
Nach § 89b HGB schuldet der Unternehmer dem HV einen angemessenen Ausgleich. Wie der angemessene Ausgleich zu ermitteln ist, hat sich in der Praxis durch die Rspr. herausgebildet; die Rspr. befindet sich indes gerade im Wandel (vgl. dazu oben unter Rdn 157 ff.).
Die Höhe des Anspruchs wird in zwei Schritten bestimmt:
a) Berücksichtigungsfähige Provisionen/Unternehmervorteile
Rz. 211
Um den Rohausgleich zu berechnen, wurde bislang zunächst ermittelt, in welcher Höhe der HV in den letzten 12 Monaten seiner Tätigkeit Vermittlungs- bzw. Abschlussprovisionen für als Stammkunden geworbene Neukunden bzw. für Altkunden, mit denen der HV die Geschäftsverbindung intensiviert hat, erzielt hat. Da der Wortlaut des Art. 17 Abs. 2 lit. a der HVRichtlinie 86/653/EWG und des § 89b HGB allerdings eindeutig auf die Unternehmervorteile abstellt, dürfte es nur konsequent sein, diese – nach erfolgter Auskunft durch den Unternehmer – der Berechnung zugrunde zu legen.
b) Prognosezeitraum
Rz. 212
Sodann wird ermittelt, für welchen Zeitraum der Unternehmer aus den vom HV geschaffenen Kundenstamm noch Vorteile ziehen kann. I.d.R. wird ein Prognosezeitraum (vgl. dazu oben unter Rdn 180 ff.) von 3–5 Jahren für angemessen erachtet.
c) Abwanderungsquote
Rz. 213
Nach der Rspr. des BGH ist eine Abwanderungsquote nicht zu bilden, wenn anhand eines längeren Zeitraums vor Vertragsende festgestellt wird, dass der Umsatz mit Mehrfachkunden einen annähernd gleichbleibenden Anteil am gesamten Umsatz ausmacht. Es besteht außerdem die Vermutung für den Fortbestand der vermittelten Geschäftsbeziehungen. Auch wenn der HV keine potentiellen Mehrfachkunden seiner Berechnung zugrunde legt, ist für eine Abwanderungsquote kein Raum. In anderen Fällen wird häufig eine Abwanderungsquote der vom HV geworbenen Kunden berücksichtigt, die den Prognosezeitraum reduzieren kann. Abgestellt wird dann auf eine Abwanderungsquote aus der Zeit vor der Vertragsbeendigung, wobei es auf die Umsatzminderung pro abgewanderten Kunden ankommt. Der BGH hat in der Vergangenheit mehrfach geschätzte Abwanderungsquoten von 10 %, 20 % oder 25 % anerkannt und sich darauf gestützt, dass die Abwanderungsquote in erster Linie von dem Tatrichter zu ermitteln sei, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für die tatsächliche Abwanderung vorhanden waren.
d) Abzinsung
Rz. 214
Schließlich ist von den Unternehmervorteilen eine sog. Abzinsung vorzunehmen. Grund für die Abzinsung ist, dass der HV ohne Beendigung des Vertrages die Ausgleichszahlung nicht in voller Höhe und auf einmal erhalten hätte, sondern verteilt als Provision über einen längeren Zeitraum. Dadurch erhält der HV einen Zinsvorteil, der durch die Abzinsung wieder ausgeglichen wird.
Rz. 215
Die Rspr. nimmt i.d.R. einen festen Abzug vor, der in der Vergangenheit zwischen 10 % und 20 % bemessen wurde. Abzinsungen werden ferner in der Praxis auch nach der Methode Gillardon vorgenommen; hiernach wird ein bestimmter Multiplikator für die Abzinsung verwendet.
e) Billigkeitsabschlag/Umsatzsteuer
Rz. 216
Abschließend wird der abgezinste Betrag ggf. mittels eines Billigkeitsabschlags korrigiert sowie die USt auf den Ausgleichsanspruch aufgeschlagen.
f) Höchstbetrag
Rz. 217
Wie bereits oben unter Rdn 193 ff. ausgeführt, wird der Ausgleichsanspruch der Höhe nach gem. § 89b Abs. 2 HGB begrenzt, und zwar höchstens auf eine nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre der Tätigkeit des HV berechnete Jahresprovision. Insofern sind die Provisionen der letzten fünf Vertragsjahre zu addieren und durch den Faktor 5 zu teilen.
Rz. 218
Sollte der errechnete Rohausgleich höher liegen als der errechnete Höchstbetrag, so kommt eine Reduzierung auf diesen Betrag zum Tragen.