Dr. Susanne Creutzig, Prof. Dr. Jürgen Creutzig
a) Pflicht zur Überlassung von Unterlagen (§ 86a Abs. 1 HGB)
Rz. 63
Nach § 86a Abs. 1 HGB hat der Unternehmer dem HV die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen, wie Muster, Zeichnungen, Preislisten (auch per Datenfernübertragung übermittelte Preisdaten betreffend Agenturwaren), Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen, zur Verfügung zu stellen.
Rz. 64
Diese Aufzählung ist nicht abschließend, sondern rein exemplarisch. Unter dem Begriff "erforderliche Unterlagen" fallen einschlägige Kundenlisten, soweit vorhanden, sowie sonstige Sachen, die der HV zu Anpreisung bei der Kundschaft benötigt, z.B. Werbematerial, Musterstücke, Musterkollektionen. Letztere hat der Unternehmer auf seine Kosten dem HV am Ort dessen gewerblicher Niederlassung zur Verfügung zu stellen. Hierbei handelt es sich um eine Bringschuld. Nicht dagegen sind von den erforderlichen Unterlagen solche Dinge umfasst, die der HV als Kaufmann sonst benötigt bzw. selbst vorhalten muss, wie z.B. einen Musterkoffer, Büromaterial, einen Pkw etc. Das LG Köln ist der Ansicht, das Merkmal der "Erforderlichkeit" sei bei den Regelbeispielen des § 86a Abs. 1 HGB nicht gesondert zu prüfen. Die Erforderlichkeit werde vermutet. Wird dem HV bei Vertragsbeginn vom Unternehmer eine Kundendatei oder eine Firmensoftware ausgehändigt, so ist dies als "Unterlage" i.S.d. Vorschrift zu verstehen; selbst bei Vervollständigung der Datei bzw. bei Bearbeitung der Daten mit der Software durch den HV verbleiben diese Unterlagen im Eigentum des Unternehmers.
b) Benachrichtigungs- und Informationspflicht (§ 86a Abs. 2 HGB)
Rz. 65
Nach § 86a Abs. 2 Satz 1 HGB hat der Unternehmer dem HV die erforderlichen Nachrichten zu geben. Dies hat unaufgefordert und unentgeltlich zu erfolgen. Er hat ihm unverzüglich die Annahme oder Ablehnung eines vom HV vermittelten oder ohne Vertretungsmacht abgeschlossenen Geschäfts und die Nichtausführung eines von ihm vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfts mitzuteilen (§ 86a Abs. 2 Satz 2 HGB). Er hat ihn unverzüglich zu unterrichten, wenn er Geschäfte voraussichtlich nur in erheblich geringerem Umfange abschließen kann oder will, als der HV unter gewöhnlichen Umständen erwarten konnte (§ 86a Abs. 2 Satz 3 HGB).
Rz. 66
Was unter "erforderlichen Nachrichten" zu verstehen ist, ergibt sich daraus, welche Umstände im Einzelfall für die Tätigkeit des einzelnen HV für den Unternehmer von Wichtigkeit sind und die diesem nicht bekannt sind, jedenfalls soweit der HV sich nicht selbst darum kümmern muss. Der Unternehmer hat den HV über alle Veränderungen zu informieren, die den Vertrieb der Ware des Unternehmers maßgeblich beeinflussen können, also insb. Produktveränderungen, Preisanpassungen sowie die Vereinbarung von neuen Lieferbedingungen.
Rz. 67
Die in § 86a Abs. 2 Satz 1 HGB normierte allgemeine Benachrichtigungspflicht wird durch Satz 2 und Satz 3 konkretisiert. Die Mitteilungspflichten sollen dem HV ermöglichen, seine Provisionsansprüche abschätzen zu können. Denn nur für solche Geschäfte, die abgeschlossen werden, besteht ein Provisionsanspruch. Insofern ist es auch interessengerecht, dass der Unternehmer den HV für den Fall der Nichtausführung eines Geschäfts die entsprechenden Gründe darzulegen hat. Die Mitteilungspflicht nach § 86a Abs. 2 Satz 3 HGB soll dem HV die Möglichkeit geben, zu einem angemessenen Zeitpunkt frühzeitig davon Kenntnis zu erlangen, wann ein Unternehmer seinen Betrieb einstellen, veräußern oder ähnlich einschneidende Änderungen vornehmen will.
Rz. 68
Im Fall des schuldhaften Verstoßes gegen die Benachrichtigungs- und Mitteilungsverpflichtungen des § 86a Abs. 2 HGB hat der HV ggf. einen Schadensersatzanspruch nach § 86a Abs. 2 HGB i.V.m. §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 241 BGB gegen den Unternehmer.
c) Rücksichtnahme- und Treuepflicht
Rz. 69
Kehrseite der allgemeinen Interessenwahrungspflicht des HV ist aufseiten des Unternehmers die Treue- und Rücksichtnahmepflicht. Sie folgt aus § 86a HGB bzw. § 242 BGB. Sie hat zum Inhalt, dass der Unternehmer alles zu unterlassen hat, was die Zusammenarbeit mit dem HV gefährden könnte. Insb. ist er verpflichtet, die Belange des HV zu berücksichtigen und alles zu unterlassen, was die Tätigkeit des HV beeinträchtigen bzw. ihn benachteiligen oder gefährden könnte.
Rz. 70
Ausfluss der Treue- und Rücksichtnahmepflicht ist das Wettbewerbsverbot des Unternehmers. Ein solches besteht nur dann, wenn die Parteien des ...