Rz. 19

Die Abgrenzung des HV zu anderen selbstständigen Vertriebsformen ist in der Praxis nicht selten problematisch. Dies gilt insb. im Hinblick auf den Vertragshändler und den Franchisenehmer. Diese Vertriebspersonen sind gesetzlich nicht geregelt.

a) Vertragshändler

 

Rz. 20

Ein Vertragshändler (s. ausführlich Rdn 223 ff.; früher vom BGH auch "Eigenhändler" genannt) handelt im Gegensatz zum Handelsvertreter im eigenen Namen für eigene Rechnung.[20] Er wird beim Abschluss von Rechtsgeschäften selber Vertragspartner des Kunden und verpflichtet nicht etwa den Unternehmer mittels Vertretungsmacht. Der Vertragshändler ist so in das Vertriebsnetz des Herstellers eingegliedert, dass er sich weitgehend seiner ökonomischen Selbstständigkeit begibt.[21] Denn er führt die eigentlichen, auf den Warenumschlag gerichteten Vertriebsfunktionen des Unternehmers – wie z.B. den Transport und die Lagerhaltung der Vertragsware – aus und ist dabei den Weisungen des Herstellers unterworfen.[22] Er muss in diesem Zusammenhang sämtliche Investitionen selbst finanzieren bzw. finanzieren lassen und für ihre Amortisation Sorge treffen.[23]

[20] Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 84 Rn 72; Emde, HGB, Vor § 84 Rn 334; Hopt, HGB, § 84 Rn 10.
[21] BGH, WuW/E BGH 1455; OLG Stuttgart, WuW/E OLG 2103; WuW/E OLG 2708.
[22] Ebenroth, Absatzmittlungsverhältnisse, S. 34.
[23] Zum Investitionsschutz des Vertragshändlers: S. Creutzig, Investitionsschutz, S. 1 ff.

b) Franchisenehmer

 

Rz. 21

Auch der Franchisenehmer unterscheidet sich grundlegend vom HV. Er nimmt im heutigen Wirtschaftsleben ständig an Bedeutung zu. Es handelt sich um einen vielgestaltigen Absatzmittler, der sich durch eine intensive systematische Kooperation mit dem Franchisegeber beim Absatz von Waren und Dienstleistungen auszeichnet.[24] Er nimmt wie der Vertragshändler als selbstständiger Gewerbetreibender bestimmte Vertriebs- und Absatzförderungspflichten wahr und ist in das Vertragssystem des Franchisegebers eingegliedert. Er wird gleichfalls sowohl im eigenen Namen als auch auf eigene Rechnung tätig. Verglichen mit dem Vertragshändler ist der Franchisenehmer im Allgemeinen aber wesentlich abhängiger vom Unternehmer. Denn er ist in vollem Umfang den Weisungen des Unternehmers unterworfen, der auf die Organisation des Geschäftsbetriebes des Franchisenehmers uneingeschränkt Einfluss nimmt. Zudem erscheint der Franchisenehmer mit einer vom Franchisegeber vorgegebenen Firmenbezeichnung am Markt, wodurch seine eigene Firma hinter die des Franchisegebers zurücktritt.

[24] Liesegang, Franchise-Vertrag, S. 2 ff.

c) Handelsmakler

 

Rz. 22

Sobald eine Vertriebsperson nur dann für den Unternehmer Geschäfte vermittelt, wenn sich eine Gelegenheit dazu bietet, fehlt es an dem gesetzlich normierten Merkmal des § 84 HGB der ständigen Betrauung. Diese Vertriebsperson wird als Handelsmakler bzw. Gelegenheitsagent bezeichnet. Sie steht im Gegensatz zum HV zwischen den Parteien des vermittelten Vertrages und ist in der Praxis häufig eine Art Vertrauensmann des Kunden. Die Vorschriften der §§ 84 ff. HGB gelten insofern nicht. Zu berücksichtigen sind die allgemeinen Normen des BGB, insb. das Werkvertrags- und Auftragsrecht. Damit entfällt auch der gesetzlich normierte Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB (vgl. dazu unten unter Rdn 145 ff.). Ein gesetzlicher Provisionsanspruch ergibt sich aus § 354 HGB.

d) Kommissionär

 

Rz. 23

Eine Vertriebsperson, die gem. den Regelungen der §§ 383 ff. HGB gewerbsmäßig An- und Verkaufsgeschäfte über Waren oder Wertpapiere im eigenen Namen für fremde Rechnung tätigt, wird als Kommissionär bezeichnet Die Abgrenzung zum HV erfolgt hier über das gesetzlich normierte Merkmal "für einen anderen Unternehmer". Der Kommissionär wird für den Unternehmer als mittelbarer Stellvertreter tätig. Berechtigter und Verpflichteter aus dem Rechtsgeschäft ist allein der Kommissionär. Er steht in einem doppelten Rechtsverhältnis: Ihn verbinden mit seinem Auftraggeber (Kommittenten) der Kommissionsvertrag sowie später das Abwicklungsgeschäft; dem Dritten ggü. ist er aus dem Ausführungsgeschäft zur Abwicklung verpflichtet.

e) Kommissionsagent

 

Rz. 24

Sobald ein Kommissionär aufgrund vertraglicher Regelungen ständig im eigenen Namen für einen Unternehmer tätig wird, ist er ein Kommissionsagent (s. dazu unten ausführlich unter Rdn 318). Er ist als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut, im eigenen Namen für fremde Rechnung Verträge abzuschließen. Mit dem HV hat der Kommissionsagent die ständige Betreuung durch einen Unternehmer gemeinsam. Er ist also eine Mischform aus HV und Kommissionär.[25]

 

Rz. 25

Dementsprechend gelten für ihn im Außenverhältnis weitgehend die Vorschriften des Kommissionsrechts, während das Innenverhältnis überwiegend nach den Vorschriften des Handelsvertreterrechts zu beurteilen ist.[26]

[25] Westphal/Korte, Vertriebsrecht, Kap. 2, Rn 30 f.
[26] Vgl. dazu Krüger/Lutz, ZVertriebsR 2023, 222 ff.

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