Dr. Susanne Creutzig, Prof. Dr. Jürgen Creutzig
I. Begriff des Vertragshändlers
1. Begriffsbestimmung
Rz. 223
Der Begriff des Vertragshändlers (künftig: VH) – auch Eigenhändler genannt – ist ebenso wie das Vertragshändlerrecht gesetzlich nicht geregelt. Er ist von Rspr. und Lit. entwickelt worden.
Rz. 224
VH ist danach ein Kaufmann, dessen Unternehmen in die Vertriebsorganisation eines Herstellers von Waren – nicht notwendig Markenwaren – in der Weise eingegliedert ist, dass er es durch Vertrag mit dem Hersteller oder einem von diesem eingesetzten Zwischenhändler ständig übernimmt, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung die Vertragswaren zu vertreiben und ihren Absatz zu fördern und die Funktion und Risiken seiner Handelstätigkeit hieran auszurichten. Anders ausgedrückt: Der VH ist absatzorganisatorisch mit handelsvertreterähnlichem Aufgabenkreis in die Vertriebsorganisation des Herstellers eingegliedert.
2. Einzelne Merkmale
a) Handeln im eigenen Namen und auf eigene Rechnung
Rz. 225
Der VH wird beim Abschluss von Rechtsgeschäften selbst Vertragspartner des Kunden. Er verpflichtet somit anders als der Handelsvertreter (künftig: HV) den Hersteller oder Zwischenhändler nicht. Rechtlich wie auch wirtschaftlich trägt er das volle unternehmerische Absatzrisiko der Vertragsware des Herstellers, obwohl er keinen Einfluss auf die Produktgestaltung oder Modellpalette hat, selbst wenn seine Existenz davon abhängt. Er arbeitet unter Einsatz seines Kapitals und bewirtschaftet sein Unternehmen selbst.
Rz. 226
Der Hersteller muss dem VH eine Verdienstmöglichkeit einräumen, damit dieser seine Absatzfunktion wahrnehmen und eine angemessene Rendite erwirtschaften kann.
b) Eingliederung in das Vertriebssystem des Herstellers
Rz. 227
Dieses Merkmal zeigt die funktionellen Besonderheiten des Vertriebs über Händler auf. Ihr Geschäftsbetrieb ist wirtschaftlich so in den Organisationsbereich des Herstellers integriert, dass der VH sich weitgehend seiner ökonomischen Selbstständigkeit begibt.
Rz. 228
Allerdings ist es seine alleinige Verpflichtung, Investitionen selbst zu finanzieren bzw. finanzieren zu lassen und für ihre Amortisation zu sorgen.
Rz. 229
Der VH nimmt die Vertriebsfunktionen des Herstellers – den Umschlag seiner Waren – wahr, z.B. Transport, Lagerhaltung, Verkauf. Er ist dabei dessen Weisungen unterworfen. Er wird deshalb auch als verlängerter Arm des Herstellers bezeichnet.
Rz. 230
Die Eingliederung bringt dem VH auch Vorteile. Er profitiert vom Bekanntheitsgrad des Herstellers und seiner Markenzeichen, von seinen Werbemaßnahmen und den Erfolgen seiner Geschäftspolitik. Als Mitglied des Vertriebsnetzes erhält er Know-how seitens des Herstellers, kann bei ihm sein Personal schulen lassen und ihm einen Teil seiner Betriebsführung durch Übernahme entsprechender Arbeiten und Funktionen übertragen. Außerdem kann die Bindung an einen Hersteller je nach Branche zu einer Spezialisierung und zur Rationalisierung des Händlerbetriebes führen. Dies gilt v.a. für die Bereiche Einkauf, Lagerhaltung und Kundenberatung und Service-Leistungen.
II. Besonderheiten des Vertragshändlervertrages
1. Rechtsnatur
Rz. 231
Der Vertragshändlervertrag als solcher ist gesetzlich nicht geregelt. Er hat sich seit Jahrzehnten in der Wirtschaftspraxis herausgebildet. Seine Einordnung ergibt sich aus den gegenseitigen Rechten und Pflichten.
a) Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter
Rz. 232
Nach heute herrschender Auffassung ist er ein Dienstvertrag gem. §§ 611, 675 BGB, der eine Geschäftsbesorgung – den Warenumschlag für den Hersteller – zum Inhalt hat. Der VH leistet durch seine selbstständige Vertriebstätigkeit für den Hersteller wirtschaftlich nützliche Dienste i.S.d. § 611 Abs. 1 BGB; der Hersteller verpflichtet sich dagegen zur Gewährung einer Vergütung der geleisteten Dienste. Es liegt allerdings ein Sonderfall vor, da der Geschäftsbesorger – anders als der gesetzliche Normalfall vorsieht – auf eigene Rechnung tätig wird.