§ 5 Handelsvertreter- und Vertriebsrecht / c) Rücksichtnahme- und Treuepflicht

Rz. 69

Kehrseite der allgemeinen Interessenwahrungspflicht des HV ist aufseiten des Unternehmers die Treue- und Rücksichtnahmepflicht. Sie folgt aus § 86a HGB bzw. § 242 BGB.^[80] Sie hat zum Inhalt, dass der Unternehmer alles zu unterlassen hat, was die Zusammenarbeit mit dem HV gefährden könnte.^[81] Insb. ist er verpflichtet, die Belange des HV zu berücksichtigen und alles zu unterlassen, was die Tätigkeit des HV beeinträchtigen bzw. ihn benachteiligen oder gefährden könnte.^[82]

Rz. 70

Ausfluss der Treue- und Rücksichtnahmepflicht ist das Wettbewerbsverbot des Unternehmers. Ein solches besteht nur dann, wenn die Parteien des Handelsvertretervertrages vereinbart haben, dass dem HV ein Bezirks- oder Kundenschutz zugesichert wird. Ferner gilt es im Fall einer echten Alleinvertretung des HV; hier muss der Unternehmer den HV vor dem Wettbewerb Dritter in seinem Bezirk schützen.^[83]

Rz. 71

Auch nach Vertragsbeendigung besteht die Pflicht zur Rücksichtnahme des Unternehmers ggü. dem HV fort. Der Unternehmer muss alle Handlungen unterlassen, die dem HV schaden.

Rz. 72

Verstößt der Unternehmer gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme und Treue, kommt ein Schadensersatzanspruch des HV gem. § 280 Abs. 1 BGB in Betracht. Auch § 615 BGB findet trotz der Entschließungsfreiheit des Unternehmers Anwendung. Der HV kann je nach Art der Pflichtverletzung den entgangenen Gewinn bzw. das negative Interesse ersetzt verlangen.^[84]

Hinweis

Neben dem Recht auf außerordentliche Kündigung durch den HV kann sich der Unternehmer ihm ggü. nach § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig machen, wenn er bspw. ohne dessen Zustimmung seine Produktpalette verkleinert. Denn dadurch nimmt er dem HV Möglichkeit, in derselben Höhe wie zuvor Provisionen zu erwirtschaften. Je nachdem, auf welcher Beratungsseite man als Rechtsanwalt steht, sollte man seinem Mandanten die Aufnahme einer Vereinbarung in den Vertrag empfehlen, die den entsprechenden Sachverhalt regelt, also entweder die Gewährung eines Schadensersatzanspruchs aus- oder aber einschließt.

[80] BGHZ 42, 59.

[81] Thume/Riemer/Schürr, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 1, Kap. IV Rn 75.

[82] BGH, BB 1982, 1626.

[83] BGH, DB 1961, 601.

[84] Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 86a Rn 37.