Dr. Susanne Creutzig, Prof. Dr. Jürgen Creutzig
Rz. 152
§ 89b Abs. 1 HGB setzt die rechtliche Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen Unternehmer und HV voraus. Sollte das Vertragsverhältnis aus einem bestimmten Grund nichtig sein und dementsprechend nicht beendet werden können, so schließt dies die Ausgleichsberechtigung des HV nicht aus. Erforderlich ist lediglich, dass das Handelsvertreterverhältnis faktisch vollzogen wurde. Die Begründung hierfür liegt darin, dass die Rechtsfolgen aus einem nichtigen Handelsvertretervertrag nicht den HV treffen dürfen, sofern er alle übrigen Ausgleichsvoraussetzungen erfüllt hat. Ansonsten wäre es dem Unternehmer möglich, den vom HV aufgebauten Kundenstamm zu nutzen, ohne dafür einen Ausgleich zu zahlen.
Rz. 153
Der Handelsvertretervertrag kann neben der bereits erörterten Kündigung auf verschiedene andere Art und Weise beendet werden, so bspw. durch den Tod des HV, durch den Eintritt einer auflösenden Bedingung, mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers nach § 116 Satz 1 HGB i.V.m. § 115 Abs. 1 InsO oder durch einfachen Auflösungsvertrag.
Rz. 154
Problematisch sind die Fälle, in denen eine Teilbeendigung des Handelsvertretervertrages erfolgen soll. Der BGH sieht Teilkündigungsklauseln – jedenfalls im Fall eines Vertragshändlervertrages – als unwirksam an. Diese Rechtsauffassung wird auch für den Handelsvertretervertrag gelten müssen. Daraus folgt, dass eine solche Kündigung keinen rechtlichen Bestand hat, es sein denn, sie kann in eine Änderungskündigung umgedeutet werden. Durch die Änderungskündigung wird der gesamte Vertrag gekündigt und damit beendet, wenn auch verbunden mit dem Angebot auf Abschluss eines neuen, zu geänderten Konditionen ausgestalteten Vertrages. Die Änderungskündigung zieht übrigens stets einen Ausgleichsanspruch nach sich. Denn sie beendet in jedem Fall das Vertragsverhältnis: Dies ist der Fall, wenn der HV das Änderungsangebot des Unternehmers nicht annimmt, aber auch wenn er annimmt. Denn durch die Änderungskündigung macht der Unternehmer deutlich, dass jedenfalls der Altvertrag keinen Bestand mehr haben soll.
Rz. 155
Es gibt darüber hinaus Fälle, in denen zwar streng genommen keine Vertragsbeendigung vorliegt, die Situation aber einer solchen gleich kommt. In diesem Fall wird ein Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB in analoger Anwendung bejaht. Für den Fall, dass der Unternehmer eine Rotation seiner HV bzgl. ihrer Bezirke vornimmt und dies vertraglich zulässig ist, hat der HV einen Anspruch auf Ausgleich gem. § 89b HGB analog zum Zeitpunkt der Rotation, obwohl der Vertrag noch fortbesteht. Voraussetzung dafür ist, dass der Eingriff einer Vertragsbeendigung gleichkommt. Dies wird immer dann zu bejahen sein, wenn der Bezirk des HV nach der Rotation wesentlich verkleinert wurde. Der HV kann in diesem Fall allerdings lediglich einen Ausgleich für die entgangenen Provisionen aus dem Altbezirk fordern.
Rz. 156
Entsprechendes gilt auch für den Fall, dass der Unternehmer den Kundenkreis des HV einschränkt, sofern dies so erheblich ist, dass es einer Teilbeendigung des Vertrages gleichkommt. Dies gilt auch für den Fall, dass der Unternehmer sein Warensortiment erheblich verkleinert. Denn in diesem Fall liegt eine kündigungsgleiche Wirkung vor: Der HV kann nur noch in eingeschränktem Maße Provisionen erwirtschaften.