Dr. Susanne Creutzig, Prof. Dr. Jürgen Creutzig
Rz. 183
Zu fragen ist, welche Vergütungsbestandteile i.R.d. Verlustprognose Berücksichtigung finden. Grds. ist von der zu erwartenden Bruttoprovision (Abschluss- und Vermittlungsprovision) vor Abzug der Betriebskosten auszugehen. Diese Bruttoprovision wird sich seit dem 5.8.2009 aber nicht mehr lediglich auf eine solche Vergütung beschränken, die dem HV für seine werbende, vermittelnde und abschließende Tätigkeit zukommt, sondern sich auch auf solche Vergütungen beziehen, die für Verwaltungstätigkeiten, Lagerhaltung und Ähnliches geleistet werden. Diese Bestandteile dürfen nicht mehr ausgenommen werden. Das folgt aus dem Urteil des EuGH vom 26.3.2009. Denn danach ist die HV-Richtlinie so handelsvertreterfreundlich wie möglich auszulegen. Soweit ein Abstellen auf die Provisionsverluste zu einer Reduzierung des Ausgleichsanspruchs führe, sei dies mit der Richtlinie nicht zu vereinbaren. Zu berücksichtigen ist – wie bisher – weiterhin i.d.R. die Beständigkeit des Kundenstamms.
Rz. 184
Sofern der HV mit dem Unternehmer neben der Provision eine feste Vergütung oder aber eine Mindestvergütung vereinbart hat, ist diese nur insofern in die Verlustprognose einzustellen, als sie für Geschäfte mit neu geworbenen oder erweiterten Stammkunden gezahlt wird. Ein evtl. vereinbarter variabler Vergütungsanteil ist ebenfalls nur dann in die Verlustprognose einzubeziehen, wenn er sich auf die vorbenannten Geschäfte bezieht.
Rz. 185
Nach bisheriger Auffassung der Rspr. werden die sog. Bestands- bzw. Verwaltungsprovisionen des HV nicht mit in die Verlustprognose einbezogen. Dies wird damit begründet, dass sich der Ausgleichsanspruch eben nur auf den Auf- bzw. Ausbau des Kundenstammes bezieht, nicht dagegen auf die Kundenpflege bzw. -verwaltung. Ob diese Rechtsauffassung angesichts des EuGH-Urteils vom 26.3.2009 noch Bestand haben kann, erscheint sehr zweifelhaft.
Rz. 186
Bezirksprovisionen werden i.R.d. Verlustprognose i.d.R. nur für solche Kunden nicht berücksichtigt, die der HV nicht für das erste Geschäft geworben hat. Dies ist bspw. der Fall, wenn ein Vertreter Bezirksprovisionen für Kunden erhält, die ein Vorgänger, ein anderer HV oder der Unternehmen zuvor warb.
Rz. 187
Ein Abzug vom Ausgleichsanspruch für die vom HV regelmäßig durchzuführende verwaltende Tätigkeit bzw. Bestandpflege oder aber Schadensregulierung, die im Rahmen einer werbenden Tätigkeit stets in gewissem Umfang erforderlich ist, kommt nach dem erwähnten Urteil des EuGH nicht mehr infrage, erschien auch schon nach früherer Rechtslage nicht gerechtfertigt, jedenfalls dann nicht, wenn der Schwerpunkt der Tätigkeit des HV werbend blieb; denn der HV muss, um überhaupt werbend tätig werden zu können, zuvor oder gleichzeitig verwaltend tätig sein.