Dr. Susanne Creutzig, Prof. Dr. Jürgen Creutzig
1. Pflichten für den Handelsvertreter
Rz. 38
§ 86 HGB normiert allgemein die Pflichten des HV, die in der Praxis i.d.R. vertraglich ausgefüllt werden. Hierbei sind die Grenzen der Vertragsgestaltung im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 134, 138 BGB, im Hinblick auf das Kartellrecht sowie auf die Regelungen der allgemeinen Geschäftsbedingungen zu überprüfen.
a) Vermittlungs- und Abschlusspflicht (§ 86 Abs. 1 Halbs. 1 HGB)
Rz. 39
Die Vermittlungs- und Abschlusspflicht des HV (auch Bemühenspflicht genannt) ist in § 86 Abs. 1 Halbs. 1 HGB geregelt und gehört zu den Hauptpflichten des HV. Dies bedeutet nicht etwa, dass der HV verpflichtet ist, so viele Geschäftsabschlüsse herbei zu führen, wie es ihm bei größtmöglicher Anstrengung gelingen würde. Vielmehr muss er nach einer gewissen Anlaufphase angemessene Umsätze erzielen. Daher finden sich in vielen Verträgen Vereinbarungen über Umsatzgarantien; bei Nichterreichen dieses Umsatzziels seitens des HV werden teilweise Schadensersatzansprüche ausgelöst bzw. der Provisionsanspruch vermindert. Im Extremfall kann dem Unternehmer auch das Recht zur außerordentlichen Kündigung zustehen.
b) Interessenwahrnehmungspflicht (§ 86 Abs. 1 Halbs. 2 HGB)
Rz. 40
Die Interessenwahrnehmungspflicht nach § 86 Abs. 1 Halbs. 2 HGB ist eine allgemeine Pflicht, die den gesamten Handelsvertretervertrag bestimmt, sich also auf die Tätigkeit des HV im Allgemeinen bezieht. Sie beinhaltet, dass der HV zu jedem Zeitpunkt alles tun muss, was im Interesse des Unternehmers erforderlich ist und alles unterlassen muss, was den Unternehmer schädigen kann. Dies erstreckt sich bspw. auf die Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen des Unternehmers bzw. auf eine nach den Vorstellungen des Unternehmers vorgenommene Kundenbetreuung. In diesem Zusammenhang hat der HV auch die Weisungen des Unternehmers zu befolgen, sofern dadurch nicht die Selbstständigkeit des Vertriebsmittlers in ihrem Grundsatz angetastet wird. Wirft der Prinzipal dem HV vor, er habe eine bestimmte Firma als Kunde des Prinzipals abgeworben, ist hinreichend substantiiert vorgetragen, wenn dargelegt ist, der HV habe Vororder nicht mehr für den Prinzipal beschafft, sondern diese auf eigene Rechnung besorgt. Sofern der HV gegenüber einem potentiellen Kunden Zweifel an der Lieferfähigkeit des Unternehmers äußert, obwohl dieser selbst von der Erfüllbarkeit seiner Verpflichtungen ausgeht, verstoßt der HV gegen seine Interessenwahrungspflicht.
c) Informations- und Berichtspflicht (§ 86 Abs. 2 HGB)
Rz. 41
Nach § 86 Abs. 2 HGB ist der HV verpflichtet, dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzüglich Mitteilung zu machen. Über den Wortlaut des Gesetzes hinaus beziehen sich die Informationspflichten des HV auch auf Umstände, die für den Unternehmer von Bedeutung sind, damit sich dieser ein Bild über den Markt allgemein und speziell über die Anbahnungs- und Vermittlungsaktivitäten des HV machen kann.
Rz. 42
Welche Nachrichten erforderlich sind, ist gesetzlich nicht geregelt. Nach der Rspr. des BGH ist auf das Interesse des Unternehmers an den Berichten des HV abzustellen; es ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Der Unternehmer soll so umfänglich und rechtzeitig informiert werden, dass es ihm möglich ist, in ein angebahntes Geschäft einzugreifen. Die Informations- und Berichtspflicht geht hingegen nicht so weit, dass es dem Unternehmer möglich ist, die Tätigkeit des HV zu überwachen oder zu kontrollieren, wie dies bspw. bei der Pflicht zu täglichen Berichten der Fall wäre. Sie würde der Stellung des HV als selbstständigem Unternehmer entgegenstehen.
Rz. 43
Die Auskunftspflicht nach § 666 BGB ergänzt die Informations- und Berichtspflicht des § 86 Abs. 2 HGB. Sie beinhaltet die Auskunft über den Stand der Bemühungen des HV bezogen auf den Abschluss oder die Vermittlung eines Geschäfts sowie die Auskunft über sämtliche Umstände, die für den Unternehmer von Wichtigkeit sind. Im Unterschied zur Informations- und Berichtspflicht besteht die Auskunftspflicht des HV nur auf Verlangen des Unternehmers.
d) Rechenschaftspflicht
Rz. 44
Nach § 666 BGB ist der HV verpflichtet, nach der Ausführung des Auftrages dem Unternehmer ggü. Rechenschaft abzulegen. Er muss die mit der Tätigkeit für den Unternehmer verbundenen Einnahmen und Ausgaben in verständlicher, übersichtlicher und eine Nachprüfung ermöglichender Form bekannt geben. Ferner muss er außer den Vermittlungen und Abschlüssen selbst auch alle sonstigen für den Unternehmer bedeutsamen Einzelheiten aus seiner Tätigkeit mitteilen.
e) Verschwiegenheitspflicht (§ 90 HGB)
Rz. 45
Nach § 90 HGB darf der HV Geschäft...