Dr. Susanne Creutzig, Prof. Dr. Jürgen Creutzig
1. Provisionspflichtige Geschäfte (§ 87 HGB)
Rz. 76
§ 87 Abs. 1 Satz 1 HGB ist dispositiv. Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB hat der HV Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind oder mit Dritten abgeschlossen werden, die er als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat. Dabei ist die Provision das übliche Entgelt des HV und wird definiert als eine nach dem Umfang vergütungspflichtiger (Einzel-)Geschäfte bemessene Zahlung als Gegenleistung für die erbrachten Dienste. Es handelt sich also um eine Erfolgsvergütung.
Rz. 77
Anstatt einer Provision kann der Handelsvertretervertrag auch andere Vergütungsformen vorsehen, wie z.B. eine Umsatz- oder Gewinnbeteiligung am Gesamtumsatz oder am Gewinn des vertretenen Unternehmens. Sofern jedoch eine Provision als Entgelt für den HV vereinbart worden ist, gelten die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 87, 87a, 87b, 87c, 87d HGB zwingend.
Rz. 78
§ 87 Abs. 1 HGB normiert, unter welchen Voraussetzungen ein Geschäft des HV provisionspflichtig ist:
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Zunächst muss das Geschäft während des Vertragsverhältnisses abgeschlossen worden sein. Es ist daher nicht erforderlich, dass das abgeschlossene Geschäft auch während der Vertragslaufzeit des Handelsvertretervertrages abgewickelt oder erfüllt wurde. |
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Es ist notwendig, dass ein rechtswirksamer Vertragsschluss mit dem Kunden herbeigeführt wurde, der Unternehmer also auch die vom HV geleistete Vermittlungstätigkeit dem Kunden ggü. bestätigt. Vorverträge sind grds. nicht provisionspflichtig, es sei denn, sie entfalten bindende Wirkung für beide Parteien. |
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Die abgeschlossenen Geschäfte müssen ferner auf eine Tätigkeit des HV zurückzuführen sein, wobei jedwede, d.h. auch nur eine geringe oder mittelbare Mitverursachung durch den HV für den Abschluss ausreichend ist. |
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Der HV erhält für solche Geschäfte mit Dritten, die er als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat, ebenfalls eine Provision, sofern diese Geschäfte während des Vertragsverhältnisses abgeschlossen werden. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich um Geschäfte der gleichen Art handelt, also Folgegeschäfte wie Nachbestellungen. Hierbei handelt es sich um einen gesetzlich normierten provisionsrechtlichen Kundenschutz. |
Rz. 79
Sollte der HV als Bezirksvertreter für den Unternehmer tätig werden, so richtet sich der Provisionsanspruch nach § 87 Abs. 2 HGB. Ist dem HV also ein bestimmter Bezirk oder ein bestimmter Kundenkreis zugewiesen, so hat er Anspruch auf Provision auch für die Geschäfte, die ohne seine Mitwirkung mit Personen seines Bezirkes oder seines Kundenkreises während des Vertragsverhältnisses abgeschlossen sind. Der Anspruch auf Bezirksprovision entsteht unabhängig von einer tatsächlichen Mitursächlichkeit der Tätigkeit des HV für den Abschluss der Geschäfte. Allein entscheidend ist die Zugehörigkeit des Kunden zu dem Bezirk des HV bzw. die Zugehörigkeit zum Kundenkreis des Kundenkreisvertreters. Es kommt nicht darauf an, ob sich das Geschäft auf die Lieferung an einen außerhalb des Bezirks liegenden Ort bezieht.
Hinweis
In der Praxis kann es vorkommen, dass sich nicht eindeutig klären lässt, in wessen Bezirk ein konkretes Geschäft abgeschlossen worden ist, so z.B., wenn ein Kunde mehrere Zweigniederlassungen hat, die in verschiedenen Bezirken des Unternehmers liegen, denen wiederum verschiedene Bezirksvertreter zugeordnet sind. In einem solchen Fall gilt eine Provisionsteilungsabrede als stillschweigend vereinbart. Empfehlenswert ist für die Vertragsgestaltung eine entsprechend eindeutige Formulierung in das Vertragswerk aufzunehmen (vgl. dazu unten unter Rdn 327).
Rz. 80
§ 87 Abs. 3 HGB bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der HV eine Provision für ein Geschäft erhält, das erst nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen wurde. Nach Satz 1 Nr. 1 ist dies der Fall, wenn der HV das Geschäft vermittelt hat oder es eingeleitet und so vorbereitet hat, dass der Abschluss überwiegend auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist und das Geschäft innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen worden ist. Dabei ist umstritten, was der Gesetzgeber unter der "angemessenen Frist" verstanden haben wollte. Maßgeblich sind die Verhältnisse des Einzelfalls, insbesondere die branchenbedingten Besonderheiten. Nach der herrschenden Auffassung ist auf die Zeitspanne zwischen der Beendigung des Handelsvertretervertrages und dem Vertragsabschluss abzustellen.
Rz. 81
Nach § 87 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 wird dem HV ein Anspruch auf Provision gewährt, wenn vor Beendigung des Vertragsverhältnisses das Angebot des Dritten zum Abschluss eines Geschäfts, für das der HV Anspruch auf Provision hat, dem HV oder dem Unternehmer zugegangen ist. Wann ein Angebot zugegangen ist, beurteilt sich nach § 130 BGB.