Dr. Susanne Creutzig, Prof. Dr. Jürgen Creutzig
Rz. 145
Der Ausgleichsanspruch des HV nach § 89b HGB existiert seit nunmehr über 60 Jahren, wurde aber erst ca. 50 Jahre nach Inkrafttreten des ersten HGB in das Gesetz eingefügt. Der Anspruch dient der Vergütung des vom HV erworbenen Kundenstamms, den der Unternehmer auch nach Vertragsbeendigung weiter nutzen kann. Denn diese Tätigkeit des HV ist nicht von der Provisionszahlungspflicht des Unternehmers nach § 87 HGB umfasst. Dennoch ist der Ausgleichsanspruch kein reiner Vergütungsanspruch; vielmehr wird er nach Grund und Höhe stark von Billigkeitsgesichtspunkten bestimmt.
Rz. 146
Der BGH ist der Auffassung, Sinn des Ausgleichsanspruchs sei es, "dem Handelsvertreter für einen auf seine Leistung zurück zu führenden, infolge der Beendigung des Vertrags nicht mehr vergüteten Vorteil des Unternehmers, wie er in der Nutzung eines Kundenstamms liegt, eine weitgehend durch Billigkeitsgesichtspunkte bestimmte Gegenleistung zu verschaffen, so daß der Handelsvertreter mit dem Ausgleich für seine während der Vertragsdauer erbrachte, bis zur Vertragsbeendigung noch nicht abgegoltene Leistung eine zusätzliche Vergütung erhält."
Der EuGH hat in Auslegung der HVRichtlinie 86/653/EWG vom 18.12.1986 entschieden, dass die in Art. 17 Abs. 2 und 3 vorgesehene Ausgleichs- und Schadenersatzregelung im Fall der Beendigung des Handelsvertretervertrages auch dann anwendbar ist, wenn die Beendigung während der in diesem Vertrag festgelegten Probezeit eintritt.
1. Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs
a) Anspruchsberechtigter
Rz. 147
Nach § 89b Abs. 1 Satz 1 HGB ist der HV, also insb. der Abschluss- und Vermittlungsvertreter, bzw. bei Tod dessen Erben anspruchsberechtigt. Dies gilt auch für arbeitnehmerähnliche HV i.S.d. § 92a HGB. Dies sind v.a. Einfirmenvertreter, die während der letzten 6 Monate des Vertragsverhältnisses und bei kürzerer Vertragsdauer während jener im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000,00 EUR aufgrund des Vertragsverhältnisses an Vergütung erzielt haben.
Rz. 148
Auch bei anderen Vertriebsmittlertypen, wie den Vertragshändlern, Franchisenehmern, Kommissionsagenten und Markenlizenznehmern können die Voraussetzungen des § 89b HGB in analoger Anwendung zum Tragen kommen, sodass auch diese Vertriebsmittler einen Ausgleichsanspruch erhalten können (vgl. dazu ausführlich unter Rdn 278 ff.).
Rz. 149
Dagegen sind der nebenberufliche HV nach § 92b Abs. 1 HGB – hier ist der Unternehmer für den Ausschluss des Ausgleichs wegen Nebenberuflichkeit darlegungs- und beweispflichtig – sowie angestellte Reisende i.S.v. Arbeitnehmer-Außendienstmitarbeitern nicht ausgleichsberechtigt.
b) Anspruchsverpflichteter
Rz. 150
Nach § 89b Abs. 1 HGB ist der Unternehmer Anspruchsverpflichteter des Ausgleichsanspruchs. Er kann sich als Einzelkaufmann auch nicht seiner Anspruchsverpflichtung entziehen, wenn er seinen Vertrieb veräußert. In diesem Fall bleibt er so lange Ausgleichsschuldner, als weder durch Gesetz noch durch Vertrag ein Übergang der Ausgleichsverpflichtung auf den Erwerber vorgesehen ist. Hier ist es erforderlich, eine vertragliche Regelung zu vereinbaren, um den Erwerber zu verpflichten bzw. den veräußerten Unternehmer aus seiner Schuld zu entlasten.
Rz. 151
Sofern der Unternehmer eine juristische Person ist, bleibt er auch trotz eines Gesellschafterwechsels anspruchsverpflichtet.
c) Vertragsbeendigung
Rz. 152
§ 89b Abs. 1 HGB setzt die rechtliche Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen Unternehmer und HV voraus. Sollte das Vertragsverhältnis aus einem bestimmten Grund nichtig sein und dementsprechend nicht beendet werden können, so schließt dies die Ausgleichsberechtigung des HV nicht aus. Erforderlich ist lediglich, dass das Handelsvertreterverhältnis faktisch vollzogen wurde. Die Begründung hierfür liegt darin, dass die Rechtsfolgen aus einem nichtigen Handelsvertretervertrag nicht den HV treffen dürfen, sofern er alle übrigen Ausgleichsvoraussetzungen erfüllt hat. Ansonsten wäre es dem Unternehmer möglich, den vom HV aufgebauten Kundenstamm zu nutzen, ohne dafür einen Ausgleich zu zahlen.
Rz. 153
Der Handelsvertretervertrag kann neben der bereits erörterten Kündigung auf verschiedene andere Art und Weise beendet werden, so bspw. durch den Tod des HV, durch den Eintritt einer auflösenden Bedingung, mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers nach § 116 Satz 1 HGB i.V.m. § 115 Abs. 1 InsO oder durch einfachen Auflösungsvertrag.
Rz. 154
Problematisch sind die Fälle, in denen eine Teilbeendigung des Handelsvertretervertrages erfolgen soll. Der BGH sieht Teilkündigungsklauseln – jedenfalls im Fall eines Vertra...