Rz. 162
Eine Informationspflicht besteht nicht, wenn sich die Erteilung der Informationen nach Art. 14 Abs. 1, 2 und 4 DSGVO als unmöglich erweist. Damit ist der aus dem römischen Recht bekannte Rechtsgrundsatz "impossibilium nulla est obligatio" angesprochen. Gemeint ist zum einen die tatsächliche Unmöglichkeit der Informationsvermittlung, die gegeben ist, wenn zwar personenbezogene Daten vorliegen, diese aber für den Verantwortlichen (noch) nicht zu einer Identifizierbarkeit der betroffenen Person ausreichen.
Zitat
"Kann der Verantwortliche anhand der von ihm verarbeiteten personenbezogenen Daten eine natürliche Person nicht identifizieren, so sollte er nicht verpflichtet sein, zur bloßen Einhaltung einer Vorschrift dieser Verordnung zusätzliche Daten einzuholen, um die betroffene Person zu identifizieren. Allerdings sollte er sich nicht weigern, zusätzliche Informationen entgegenzunehmen, die von der betroffenen Person beigebracht werden, um ihre Rechte geltend zu machen."
Dies kann etwa bei der Speicherung dynamischer IP-Adressen der Fall sein, die ihrerseits zwar als personenbezogene Daten eingestuft werden, ohne weitere Nachforschungen des Verantwortlichen zur Identität ihres Inhabers/Nutzers indes keinen direkten Personenbezug zulassen. Ebensolches gilt für ein Inkassounternehmen, dem z.B. nur Kontonummern aus fehlgeschlagenen Lastschriften oder Kreditkartennummern übergeben werden, die ebenso zunächst keine direkte Identifikation des Schuldners bedingen. Die Informationspflichten entfallen jedoch in solchen Fällen nicht gänzlich, sondern temporär und nur so lange, bis eine Identifizierung der betroffenen Person möglich ist.
Rz. 163
Mit Blick auf das Regelbeispiel ("soweit die in" Art. 14 Absatz 1 DSGVO genannte Pflicht voraussichtlich die Verwirklichung der Ziele dieser Verarbeitung unmöglich macht oder ernsthaft beeinträchtigt“) in Art. 14 Abs. 5 lit. b) DSGVO ist die Unmöglichkeit jedoch nicht allein auf diese Fallgruppe beschränkt, sondern kann Unmöglichkeit auch dann vorliegen, wenn die Mitteilung der nach Art. 14 Abs. 1 DSGVO geforderten Informationen die vom Verantwortlichen im Rahmen der Verarbeitung verfolgten Ziele (= Zwecke) gänzlich vereitelt (= unmöglich macht) oder zumindest ernsthaft gefährden kann.
Rz. 164
Art. 14 Abs. 5 lit. b) Alt. 1 DSGVO stellt insoweit auf eine Unmöglichkeit bzw. ernsthafte Gefährdung der Zweckerreichung der vom Verantwortlichen verfolgten Zwecke ab und umschreibt dies plastisch mit dem Begriff des von diesem verfolgten Ziels. Damit ist nicht nur ein rechtliches, sondern auch jedes von der Rechtsordnung anerkannte wirtschaftliche oder ideelle Ziel des Verantwortlichen gemeint. Es ist fraglich, ob eine Unmöglichkeit in diesem Sinne dauerhaft vorliegen kann, da insoweit auch der Stellenwert des Informationsbedürfnisses des Betroffenen nicht unberücksichtigt bleiben darf, sondern die Reichweite der Norm im Lichte der allgemeinen Grundsätze des Art. 5 DSGVO zu bestimmen ist. Auch hier ist daher zu fordern, dass das Ziel vom Verantwortlichen ernsthaft verfolgt werden muss und sich das Absehen von der Information an den Betroffenen unter Beachtung des Wesensgehalts der Grundrechte und Grundfreiheiten des Betroffenen als in einer demokratischen Gesellschaft notwendige und verhältnismäßige Maßnahme darstellt.
Rz. 165
So kann es z.B. aus Sicht eines Inkassounternehmens durchaus als zielgefährdend angesehen werden, den ermittelten Arbeitgeber eines Schuldners als Betroffenen im Vorfeld einer beabsichtigten Lohnpfändung gem. Art. 14 DSGVO zu informieren. Die Gefahr, dass diese Information vor Ausspruch und Wirksamwerden der Pfändungsmaßnahme dem Schuldner bekannt gegeben und dieser entsprechende "Sicherungsmaßnahmen" einleiten könnte, ist dem Grunde nach in jedem Fall eine Gefährdung der Zielsetzungen des Inkassounternehmens, die es – auch unter Beachtung des Wesensgehalts der Grundrechte und Grundfreiheiten des betroffenen Arbeitgebers – gerechtfertigt erscheinen lässt, von der Information nach Art. 14 Abs. 1 und 2 DSGVO vor Wirksamwerden der Vollstreckungshandlung abzusehen. Die Beurteilung könnte sich jedoch ändern, wenn es "nur" noch um die Vollstreckung einer geringen Nebenforderung, beispielsweise von Zinsen bis zu einer Höhe von 50 EUR, geht.
Rz. 166
Ein weiterer Anwendungsfall kann auch in den Fällen der "stillen Zession" liegen bei der die Abtretung dem Drittschuldner nicht angezeigt wird. Die stille Zession wird – zumindest in der deutschen Rechtspraxis – allgemein als zulässig angesehen, insbesondere um die Gefahr, dass eine Offenlegung dem "Ruf des Zedenten abträglich sein kann" als solche anerkannt und das Interesse des Zedenten damit als "schutzwürdig" angesehen wird. Eine stille Zession wäre indes unmöglich, wenn der Zessionar verpflichtet wäre, den Schuldner als von der Zession betroffene Person hierüber zu informieren. Auch in diesen Fällen besteht daher keine Informationspflicht.