I. Erforderlichkeit der Massesicherung
Rz. 19
Nach § 21 Abs. 1 InsO hat das Insolvenzgericht alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur eigentlichen Verfahrenseröffnung alle nachteiligen Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners zu vermeiden. Auch wenn das Nachlassinsolvenzverfahren ein Sonderinsolvenzverfahren ist, sind im Eröffnungsverfahren die gleichen Sicherungsmaßnahmen durch das Gericht anzuwenden wie im Regelinsolvenzverfahren, §§ 21, 22 InsO.
Rz. 20
Das Gericht kann jede erdenkliche – und praktisch auch umsetzbare – Sicherungsmaßnahme anordnen. In § 21 Abs. 2 InsO ist aufgrund der Formulierung "insbesondere" eine Generalklausel zu sehen, welcher ein nicht abschließender Katalog von möglichen Sicherungsmaßnahmen folgt. Neben den in den §§ 21, 22 InsO aufgeführten Maßnahmen kommen daher auch insbesondere Einzelanordnungen in Betracht. Solche können vor allem Verfügungsverbote hinsichtlich einzelner Bankkonten oder Grundstücke beinhalten und stellen i.d.R. das mildere Mittel dar.
Rz. 21
Grundsätzlich und unabhängig von der Frage, ob ein Eigenantrag des Erben oder ein Fremdantrag eines Gläubigers vorliegt, sind Sicherungsmaßnahmen nur anzuordnen, wenn ein zulässiger Insolvenzantrag vorliegt. Das Gericht hat vor der Anordnung die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen zu prüfen und den Eröffnungsantrag zuzulassen.
Rz. 22
Die Entscheidung und Anordnung der Sicherungsmaßnahmen sind immer bezogen auf den jeweiligen Einzelfall zu treffen. Die Maßnahmen haben stets den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen, müssen somit geeignet, erforderlich und zumutbar sein. Das Gericht sollte sich bei der Anordnung darüber bewusst sein, welche mitunter tiefgreifenden Folgen die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen haben kann, bspw. auf einen laufenden Geschäftsbetrieb, bei dem die Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung der Regelfall ist.
Rz. 23
Bei einem Fremdantrag sollte i.R.d. Abwägung auch beachtet werden, dass die Publizität einer vorläufigen Insolvenzverwaltung aufgrund deren öffentlichen Bekanntmachung im Gegensatz zu der nicht zu veröffentlichenden Bestellung eines Sachverständigen für den Erben als Schuldner weitreichende Folgen haben kann.
Grundsätzlich hat die Verhältnismäßigkeitsprüfung jedoch auch die stets gegebene Eilbedürftigkeit des Verfahrens zu beinhalten. Sicherungsmaßnahmen sind immer eilig anzuordnen. Die Anhörung zur Wahrung des rechtlichen Gehörs ist daher u.U. nachzuholen.
Rz. 24
Die Sicherungsmaßnahmen sind mit richterlichem Beschluss anzuordnen. Gegen den Beschluss steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde als Rechtsmittel zu, § 21 Abs. 1 S. 2 InsO.
II. Vorläufige Insolvenzverwaltung
1. Vorläufiger Insolvenzverwalter
Rz. 25
Zur Sicherung des Nachlassvermögens kann das Gericht in erster Linie gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 InsO einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen. Zu unterscheiden ist dabei die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 2. Alt. InsO, sog. schwache vorläufige Insolvenzverwaltung) und die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots (§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 1. Alt. InsO, sog. starke vorläufige Insolvenzverwaltung).
Rz. 26
Während die Insolvenzordnung in § 22 InsO die Bestellung eines sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalters, auf welchen bereits im Antragsverfahren die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (allgemeines Verfügungsverbot) übergeht, als Regelfall sieht, wird in der Praxis fast ausschließlich ein Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 2. Alt. InsO angeordnet und ein sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt.
Rz. 27
Die Auswahl des vorläufigen Insolvenzverwalters erfolgt – ebenso wie die des Sachverständigen – auf Grundlage des § 56 InsO. Die §§ 56–56b InsO finden entsprechende Anwendung. Die Anforderungen sind dabei die gleichen wie an den Sachverständigen, da der vorläufige Insolvenzverwalter i.d.R. auch mit Eröffnung zum Insolvenzverwalter bestellt werden wird. Neben den als selbstverständlich vorauszusetzenden Kriterien der fachlichen Qualifikation und Bekanntheit bei Gericht sollte die Auswahl auch immer die Kanzleistruktur berücksichtigen, welche der Verfahrensgröße und dessen Umfang angemessen sein muss. Beispielsweise bedarf eine Betriebsfortführung nicht nur einer kaufmännischen Qualifikation, sondern auch einer gewissen personellen Ausstattung.
Rz. 28
Der vorläufige Insolvenzverwalter steht wie der endgültige Insolvenzverwalter unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts, § 58 InsO. Auf den vorläufigen Insolvenzverwalter sind die §§ 58–66 InsO anzuwenden. Insbesondere kann sich das Gericht nach § 58 Abs. 1 S. 2 InsO jederzeit Auskünfte oder Berichte erteilen lassen.
Rz. 29
Gleichzeitig folgt hieraus, dass der vorläufige Insolvenzverwalter gem. § 21 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 60 InsO für die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten persönlich haftet. Von beso...