I. Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung
Rz. 82
Grundsätzlich ist der Antrag des Erben auf Eigenverwaltung nach den Sondervorschriften der §§ 270 ff. InsO zulässig und möglich. Sowohl der Antrag selbst als auch die Anordnung dürfte nur in einer überschaubaren Zahl von Einzelfällen eintreten. Denkbar sind nur wenige Konstellationen, in denen die Eigenverwaltung sachgerecht erscheinen könnte. Grundsätzlich bleiben die jeweiligen Umstände des Einzelfalls maßgeblich.
Rz. 83
Als Beispiel denkbar ist, dass ein Einzelunternehmen – ggf. auch als Teil einer größeren Unternehmensgruppe – zum Nachlass gehört, welches sanierungsfähig und sanierungswürdig ist oder die Gesellschaftsanteile an weiteren insolventen Gesellschaften Teil des Nachlasses sind.
Rz. 84
Soweit im Regelinsolvenzverfahren zur Insolvenzmasse sowohl das Privat- als auch das Betriebsvermögen zählt, gilt dieser Grundsatz in der Nachlassinsolvenz selbstverständlich fort. Jedoch sind noch weitere rechtliche Faktoren erforderlich, um die Massezugehörigkeit des Einzelunternehmens oder einer Beteiligung zu begründen. So ist bspw. das Handelsgeschäft des Erblassers nur im Fall der Alleinerbfolge unmittelbarer Bestandteil des Nachlasses.
II. Eigenverwaltender Schuldner
Rz. 85
Im Falle der Anordnung der Eigenverwaltung besteht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Erben über den Nachlass gem. § 270 Abs. 1 InsO fort. Die Aufsicht über den Schuldner führt der Sachwalter. Zwingend erforderlich ist daher, dass der Erbe dem Gericht darstellt, wie er die Einhaltung insolvenzrechtlicher Pflichten gewährleistet (§ 270a Abs. 1 Nr. 4 InsO). Ungeschriebene Anforderung muss daher sein, dass der Erbe sich insolvenzrechtlich beraten lässt, und der Berater über einschlägige Qualifikationen verfügt, wobei auf die Anforderungen aus § 56 InsO abzustellen sein kann.
Rz. 86
Weitere Anforderung ist die Geeignetheit des Schuldners, also des Erben. Maßgeblich ist hier insbesondere die Kompetenz, Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit im Hinblick auf dessen unternehmerische Fähigkeiten. Diese Fähigkeiten und vor allem Kenntnisse über das zum Nachlass gehörende Unternehmen dürften im Regelfall nur vorliegen, wenn der Erbe zuvor bereits in die Führung des Handelsgeschäftes eng eingebunden war, z.B. wenn ihm bereits vor dem Erbfall Prokura erteilt worden war. In anderen Fällen dürfte zweifelhaft sein, weshalb der Erbe, welcher erst mit dem Erbfall neu in das Unternehmen eintritt, geeignet sein sollte, die Geschäfte während eines Insolvenzverfahrens zu führen.
Rz. 87
Regelmäßig wird sich zudem ein Konflikt aus wechselseitigen Ansprüchen des Nachlasses und des Erben aus §§ 1978, 1979 BGB bestehen. Erst recht kommt die Anordnung der Eigenverwaltung nicht in Betracht, wenn Ansprüche gegen den Erben aus § 1980 BGB bestehen oder er wegen Inventaruntreue unbeschränkt persönlich haftet.
Masseverbindlichkeiten gem. § 324 Abs. 1 Nr. 2–4 InsO gegenüber dem Erben stehen einer Anordnung jedoch nicht entgegen.
III. Eigenverwaltungsplanung – Zielsetzung des Verfahrens
Rz. 88
In der Praxis wird die höchste Hürde für den Antrag jedoch die nach § 270a Abs. 1 InsO erforderliche Eigenverwaltungsplanung sein. Der Antragsteller, der Erbe, hat einen Finanzplan für eine Periode von sechs Monaten ab Antragstellung vorzulegen (§ 270 Abs. 1 Nr. 1 InsO), nach welchem die Fortführung des Unternehmens und/oder die Deckung der Verfahrenskosten sichergestellt ist. Zudem hat er ein Konzept für die Durchführung des Insolvenzverfahrens vorzulegen (§ 270a Abs. 1 Nr. 2 InsO). Dieses muss neben den Krisenursachen insbesondere die Sanierungsperspektive für das Unternehmen darstellen. Sollte kein Unternehmen Bestandteil des Nachlasses sein, so ergeben sich im Nachlassverfahren keine Sanierungsperspektiven.
Rz. 89
Im Falle eines einzelunternehmerisch betriebenen Handelsgeschäfts sind hier wohl nur wenige Beispiele denkbar, in denen dies möglich erscheint. Denn regelmäßig steht der Erfolg der Unternehmung in Abhängigkeit zum Arbeitseinsatz des Unternehmers, welchem schließlich auch die gesamte Administration oblag. Aufgrund dieser Personenbindung finden sich in der Praxis regelmäßig nur selten externe Erwerber für Einzelunternehmen, sodass fraglich erscheint, ob die im Eigenverwaltungsverfahren angestrebte Durchführung eines Investorenprozesses (M&A) als Perspektive ausreichend erscheinen kann. Eine ernsthafte Perspektive kann daher wohl nur dann bestehen, wenn der Erbe bereits in das Unternehmen als potentieller Nachfolger eingebunden war.
Rz. 90
Sollte die materielle Insolvenz außerdem gerade aufgrund des Todes des Unternehmers eingetreten sein, da Kundenabgänge und Umsatzrückgänge aus Gründen des Vertrauensverlustes oder anderen Gründen zu verzeichnen sind, ist ebenfalls fraglich, wie detailliert eine Beschreibung des Sanierungsz...