Rz. 72
Sofern gegen den Nachlass Rechtsstreite anhängig sind, werden diese mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 240 ZPO unterbrochen. Dieselbe Wirkung tritt mit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ein, jedoch ausschließlich nur dann, wenn auch ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet wird und die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis somit nach § 22 Abs. 1 InsO bereits im vorläufigen Verfahren auf den vorläufigen Verwalter übergeht.
Rz. 73
Die Unterbrechung des Rechtsstreits tritt kraft Gesetzes ein. Die Kenntnis der Parteien oder des Gerichts von der Insolvenzeröffnung ist nicht erforderlich und muss von diesen auch nicht angezeigt werden, da das Gericht diese von Amts wegen zu beachten hat. Einzige Voraussetzung ist, dass ein Rechtsstreit anhängig ist, welcher die Insolvenzmasse betrifft und in dessen Verlauf über das Vermögen einer der Parteien das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Die Insolvenzmasse ist i.d.R. dann betroffen, wenn in dem Verfahren Rechte zugunsten oder zulasten des gem. §§ 35, 36 InsO massezugehörigen Vermögens geltend gemacht werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Insolvenzforderung oder ein Aus- bzw. Absonderungsrecht Gegenstand des Verfahrens ist.
Rz. 74
Die Unterbrechung beginnt unmittelbar mit dem Zeitpunkt der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens, § 27 Abs. 2 Nr. 3 InsO, bzw. der Anordnung der starken vorläufigen Insolvenzverwaltung. Eine Rückwirkung findet nicht statt. Sie endet mit der Aufnahme des Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter nach §§ 85, 86 InsO oder mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens, auch durch Insolvenzplan. Allerdings wird in diesem Fall der Anspruch gegen den Nachlass nicht mehr durchsetzbar sein, da dieser abgewickelt ist.
Rz. 75
Die Wirkung der Unterbrechung ist in § 249 ZPO geregelt. Grundsätzlich endet der Fristenlauf, jedoch nur von prozessualen Fristen. Materielles Recht findet weiterhin uneingeschränkte Anwendung, sodass die Verjährung bspw. weiterhin eintreten kann.
Rz. 76
Sollte nach der Unterbrechung in Unkenntnis der Eröffnung ein Urteil ergehen, so ist dieses nicht unmittelbar nichtig und muss mit den zulässigen Rechtsmitteln angegriffen werden. In diesem Zusammenhang ist durch den Insolvenzverwalter insbesondere zu beachten, an wen die Entscheidung zugestellt wurde und ob er hiervon Kenntnis erlangt hat. Gegebenenfalls hat er die Zustellung an den Schuldner zu rügen und darüber hinaus einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gem. § 234 Abs. 1 ZPO zu stellen.
Rz. 77
Darüber hinaus kann der Insolvenzverwalter nach freiem Ermessen entscheiden, ob er bestimmte Aktiv- oder Passivprozesse aufnimmt. Ihm steht hierbei gem. §§ 85, 86 InsO ein Wahlrecht zu. Die angemessene Überlegungsfrist ergibt sich durch die Unterbrechung nach § 240 ZPO. Lehnt er die Aufnahme ab, so kann der Prozess sowohl vom Schuldner als auch vom Gegner aufgenommen werden.
Rz. 78
Bei der Aufnahme eines Passivprozesses gegen die Masse durch den Gegner gem. § 86 Abs. 1 InsO ist zu beachten, dass i.d.R. nur ein Feststellungsanspruch besteht, da Leistungsansprüche gem. § 87 InsO von Insolvenzgläubigern allein nach den Vorschriften des Insolvenzverfahrens verfolgt werden können, also durch Forderungsanmeldung nach § 174 InsO zur Insolvenztabelle.
Rz. 79
Unterbleibt eine Erklärung des Verwalters und besteht kein Interesse des Gegners an der Aufnahme, bleibt als Handlungsoption regelmäßig nur die Klagerücknahme gem. § 269 ZPO, ggf. verbunden mit einer Einigung mit dem Nachlassinsolvenzverwalter, dass dieser keine Kosten geltend macht. Hierdurch wird die Rechtshängigkeit beendet und es besteht zumindest die Möglichkeit, eingezahlte Gerichtskosten teilweise erstattet zu erhalten. Prozesshandlungen sind nach Insolvenzeröffnung gem. § 80 InsO allein vom Insolvenzverwalter in zulässiger Weise möglich. Dies gilt auch für den Kostenantrag.
Rz. 80
Der Erbe oder Erblasser ist nicht verpflichtet, seine Gläubiger über die Gefahr und möglicherweise kurzfristig bevorstehende Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu benachrichtigen, um unzulässige oder aussichtslose Klage zu vermeiden. Ein hierauf gestützter Antrag des Klägers nach § 269 Abs. 3 ZPO hat daher regelmäßig keine Erfolgsaussichten.
Rz. 81
Nicht abweichend vom Regelverfahren steht dem Nachlassinsolvenzverwalter die Befugnis zu, bestimmte Aktiv- oder Passivrechtsstreite nach den §§ 85, 86 InsO aufzunehmen oder abzulehnen. Dabei hat er im Blick zu behalten, dass der Nachlass und damit die Insolvenzmasse im Fall der beschränkten Erbenhaftung für die Kosten des Rechtsstreits nach § 1975 BGB i.V.m. § 324 InsO haftet, weshalb eine Freigabe des Rechtsstreits durch Ablehnung der Aufnahme weitreichende Folgen haben kann.