Rz. 127
Die neuere Rechtsprechung löst auch die Frage, ob und in welchem Umfang sich der Geschädigte Vorteile anrechnen lassen muss, die in ursächlichem Zusammenhang mit dem haftungsbegründenden Ereignis stehen, nicht nach formalen Gesichtspunkten, sondern aufgrund einer wertenden Betrachtungsweise. Die Beurteilung wird dabei v.a. von der Erwägung bestimmt, dass einerseits der Geschädigte sich an dem Haftungsfall nicht bereichern, andererseits der Schädiger nicht unbillig entlastet werden soll. Eine Vorteilsausgleichung setzt zunächst voraus, dass und in welcher Höhe dem Mandanten ein Schaden entstanden ist. Danach hat eine Anrechnung zu erfolgen, soweit sie mit dem Sinn und Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, dem Geschädigten unter Berücksichtigung der Interessenlage nach Treu und Glauben zumutbar ist und den Schädiger nicht in unangemessener Weise von der Verantwortlichkeit für sein pflichtwidriges Verhalten freistellt.
Rz. 128
Nachteile und Vorteile des Geschädigten müssen i.d.R. in einem inneren Zusammenhang zueinander stehen und dadurch gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein. Dies ist anzunehmen, wenn Vorteile sich bestimmten Schadenspositionen wertend zuordnen lassen. Berechnet der Geschädigte seinen Ersatzanspruch auf der Grundlage eines Deckungsverkaufs, so wird allein dadurch noch kein innerer Zusammenhang zwischen allen durch die Pflichtverletzung bedingten nachteiligen und vorteilhaften Vermögensveränderungen hergestellt, der einen Vorteilsausgleich rechtfertigt. Dies ist nur insoweit anzunehmen, als sich einem bestimmten Nachteil ein bestimmter Vorteil gegenüberstellen lässt. Verschuldet ein Steuerberater die Festsetzung von Verspätungszuschlägen gegen den Mandanten, sind Vorteile daraus, dass er ein nicht durch Steuerzahlungen gemindertes Vermögen nutzen oder die Verspätungszuschläge als Betriebsausgaben absetzen kann, anzurechnen. Wenn aus einer Reihe unzulässiger Spekulationsgeschäfte sowohl Gewinne als auch Verluste entstehen, muss sich der Betroffene auf den ihm wegen der Verluste zustehenden Schadensersatzanspruch die erzielten Gewinne anrechnen lassen. Der auf einem Beratungsfehler beruhende Wegfall des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt infolge Eheschließung mit einem neuen Partner kann durch den damit entstandenen Anspruch auf Familienunterhalt kompensiert werden.